Die Kickers-Anhänger wurden ihrem Ruf als VIF's (Very important fans) mehr als gerecht, trieben die Kickers
förmlich über die schwache zweite Halbzeit hinweg. Fazit von Trainer Boysen: "Ein verdienter Sieg, weil wir
ein Tor mehr geschossen haben."
Die Kickers begannen wie erwartet mit Tom Stohn und Stefan Simon im linken Mittelfeld. Bei den Bayern fehlten
Kuffour und Göktan. Traumstart für die Kickers. Nach 85 Sekunden mußte Bayern-Torwart Scheuer mit seinem
ersten Ballkontakt das Leder hinter sich aus dem Tor holen. Ein Schußversuch. von Simon wurde von Saba
abgeblockt, stieg am Strafraum in den Offenbacher Nachthimmel und senkte sich hinter Scheuer unhaltbar ins
Netz. Und das in Sabas letztem Spiel für die Bayern. Der 19jährige wechselt zu Hertha BSC.
Doch dem Jubel folgte zwei Minuten später fassungslose Stille. Was für ein kurioses Tor: Rückpaß von
Gramminger, der Ball hoppelt Keffel über den Spann, trudelt in Richtung Torlinie, Keffel rutscht aus, kommt
nicht schnell genug hinterher - 1:1. Die Bayern-Fans feierten den überraschenden Treffer mit einem hoch
lodernden Freudenfeuer und zündeten schwarze Rauchbomben. Die Bayern dominierten, scheiterten aber immer
wieder an Keffel, der fünf Möglichkeiten vereitelt.
Der starke Kickers-Torwart leitete sogar die zu diesem Zeitpunkt sehr glückliche Kickers-Führung ein.
Seinen weiten Abschlag nahm Vollmar auf, zog aus zwölf Metern ab, Scheuer wehrte ab, doch den Abpraller
stocherte Speth zum 2:1 über die Linie. Es war Vollmars letzte Aktion Boysen holte ihn vom Platz, weil der
Stürmer im Spiel nach hinten überhaupt nicht absicherte. Kastner sollte die Löcher auf der rechten Kickers-Seite
stopfen, Maier und Speth die einzige Sturmspitze Roth (rieb sich unermüdlich gegen eine Überzahl
Bayern-Spieler auf) unterstützen.
Doch geordnet war das Kickers-Spiel dadurch auch noch nicht. Besonders im Spiel nach vorne blieben viele
Wünsche offen. Boysen wurde an der Außenlinie immer ungehaltener.
Bis zur 70. Minute spielten sich die Kickers nur eine Torchance heraus. Doch Roths Volleyschuß landete in
Scheuers Armen. Ansonsten: eine Abwehrschlacht mit Befreiungsschlägen. Doch den jungen Bayern-Spieler
fehlte die Entschlossenheit und Präzision, um den wieder einmal stärksten Mannschaftsteil der Kickers, die
Abwehr, in Bedrängnis zu bringen. Bis zur letzten Sekunde zitterten die 16000, ehe ein Jubelsturm ausbrach,
als hätten die Kickers bereits den Aufstieg perfekt gemacht.
OFC kauft Roth für 20 000 Mark frei
Reisig: "Das ist Gersters Handschrift" / Gerster: "Reisig muß noch viel lernen"
Mit einer "Lösegeldübergabe" machte sich Dietmar Roth am späten Donnerstagabend den Weg zu den
Offenbacher Kickers frei. In einem Briefkuvert überreichte der seit vier Wochen beim FSV Frankfurt
suspendierte Roth dem FSV-Präsidenten Bernd Reisig 20 000 Mark und kaufte sich damit aus seinem Vertrag frei.
Unmittelbar danach fuhr Roth auf den Bieberer Berg und unterzeichnete bei den Kickers einen Vertrag bis zum
30. Juni 1999. Die Ablösesumme muß Roth natürlich nicht aus eigener Tasche bezahlen. "Diese 20000 Mark
übernehmen selbstverständlich wir", zeigte sich OFC-Manager Klaus Geister spendabel. Roth selbst wollte
gestern den ganzen Tag nichts zu seinem Wechsel sagen.
Die Meinungen über diesen überraschenden Transfer gehen bei den Verantwortlichen natürlich auseinander.
Gerster behauptet daß die Kickers erst nach Dolzers Schulteroperation am vergangenen Montag Kontakt mit
Roth aufgenommen hätten. FSV-Präsident Reisig spricht von einem "seit Wochen abgekarteten Spiel, und glaubt,
daß Roth auf Betreiben der Kickers die Trennung vom FSV provoziert habe. Reisig: "Die Handschrift von Gerster
ist klar zu erkennen. Aber wenigstens weiß jetzt auch jeder Offenbacher Spieler, wie er aus seinem Vertrag
herauskommen kann." Reisig behauptet sogar, ein ähnliches Spiel habe Gerster zu seinen Zeiten als
FSV-Manager gemeinsam mit Christos Figas m1t den Kickers getrieben. Figas hatte damals Ärger mit Trainer
Buchmann, sah zweimal hintereinander die Rote Karte und erhielt die Freigabe für den FSV.
"Völliger Unsinn", wehrt sich Gerster und kontert: "Reisig soll mal an den Fall Michael Klein denken, der
bei uns vor der Aufstiegsrunde ausgestiegen und zum FSV gewechselt ist."
"Wenn die beim FSV mit Roth ordentlich umgegangen wären, wäre alles in Ordnung gewesen. Jetzt ist Reisig nur
sauer, daß Roth zu uns kommt", glaubt Gerster. "Wenn Reisig das gewußt hätte, wäre der Vertrag nie
aufgelöst worden." Reisig hatte damit gerechnet, daß Roth zu Eintracht Frankfurt zurückkehrt und für diesen
Fall eine Ablösesumme von 100000 Mark festschreiben lassen.
Gerster: "Reisig muß noch viel lernen. Aber er ist viel zu klein, als daß ich mich noch mit ihm befassen
würde. Er interessiert mich nicht."
(Bericht aus der OFFENBACH-POST vom 26.09.98)
Roth auf Tribüne
"Er ist in sehr guter Verfassung"
Die Spielberechtigung liegt vor, aber gestern saß Neuzugang Dietmar Roth nur auf der Tribüne. "Wer nicht
trainiert hat, spielt auch nicht." Von diesem Grundsatz rückt OFC-Trainer Boysen auch bei seinem ehemaligen
Mitspieler Roth nicht ab. Welche Position Roth spielen wird, hat Boysen noch nicht festgelegt. "Er ist
überall eine hervorragende Alternative." Doch deutet alles auf einen Einsatz als Libero hin, wahrscheinlich
schon im nächsten Auswärtsspiel in Reutlingen. "Ich, habe Roth dreimal beobachtet, er ist in sehr guter
körperlicher Verfassung", sagt Boysen. Die Achillessehnenverletzung, wegen der Roth seit drei Wochen beim
FSV nicht trainieren kormte, sei auch "nicht gravierend". Mit 35 Jahren ist Roth der älteste Spieler im
OFC-Kader. "Das Alter ist nicht primär, sondern die Leistung", verweist Boysen auf den Matthäus-Effekt.
(Bericht aus der OFFENBACH-POST vom 26.09.98)
Da brannte der Berg: Kickers putzen Bayern
Und Gerd Müller wollte dem Schiri an den Kragen
Offenbach im Fußball-Rausch: Im Spitzenspiel gegen die Bayern-Amateure feierten die Kickers am Freitag
abend mit 18.000 Fans das nächste Bergfest. Nach 90 nicht unbedingt hochklassigen aber dramatischen Minuten
siegten die Hausherren mit 2:1, bleiben in der Regionalliga einsame Spitze.
Die Zuschauer schon nach 120 Sekunden in Ekstase: Simons Bogenlampe senkt sich über den bundesligaerfahrenen
Bayern-Keeper Sven Scheuer zum 1:0 ins lange Eck. Doch wieder nur zwei Minuten später der Schock: Riesen-Patzer
des sonst so zuverlässigen OFC-Schlußmanns Rene Keffel, der einen harmlosen Rückpaß von Gramminger nicht
unter Kontrolle bekommt, wegrutscht. Keffel liegt platt auf dem Rasen, der Ball trudelt zum 1:l in die
Maschen, fassungsloses Schweigon. Hinterm Tor flippen jetzt die Bayern-Fans völlig aus, zünden eine
Stinkbombe, Feuer lodert. Kurzzeitiges Chaos, bis Ordner und Polizei eingreifen.
Doch die Kickers behalten kühlen Kopf auf dem brennenden Berg. In der 27. staubt Speth nach hervorragender
Vorarbeit von Dirk Vollmar zum 2:1 ab. Kurios: Unmittelbar danach wird Vollmar ausgewachselt, reißt sich
wütend das Trikot vom Leib. Trainer Boysen erklärt: "Er hat nach hinten zu wenig gearbeitet, sich nicht auf
seinen Gegner eingestellt."
Vollmar dazu: "Gute Fraunde werden wir wohl nie."
Das Spiel jetzt bis zum Ende auf Messers Schneide. Mit seltsamen Entscheidungen trägt auch Schiri Wolf
(Schonungen) einiges zur Hektik bei. Bayern-Betreuer Gerd Müller will dem Referee nach Schlußpfiff sogar an
den Kragen, muß von eigenen Spielern zurückgehalten warden. Auch eine Handvoll OFC-Fans verlieren die Nerven,
bombadieren die Bayern mit Bierbechern.
Erfolgstrainer Hans-Jürgen Boysen mit seinen Kickers hinterher nicht unbedingt zufrieden. Aber: "Wir haben
immerhin leidenschaftlich gekämpft." Längst noch nicht auf der Höhe: "Millionen-Mann" Tom Stohn, bei seinem
ersten Einsatz von Anfang an nach einer Stunde wieder ausgewechselt.
Unterdessen entwickelt sich Mittelfeldrenner Günther Maier auf der rechten Seite zum Dauerbrenner, hat neben
Manndecker Kolinger als einziger alle Spiele von Anfang bis Ende absolviert - vor allem zur Freude der
Trainer-Söhne Kim und Yannick Boysen. Wenn Maier wirbelt, bekommen die beiden Steppkes (10 und 12 Jahre alt)
leuchtende Augen, fiebern auf der Tribüne natürlich im Maier-Trikot mit der Nummer 14 mit. Klar, daß der
25jährige sich von den Kollegen einigen Spott gefallen lassen muß: "Du spielst ja eh nur, damit der Trainer
zu Hause keinen Krach bekommt..."
(Bericht aus dem Äppler vom 27.09.98)
"Ein wirklich großer Torwart"
Keffel: "Es war grausam"
Es ist das Schicksal von Torhütern, daß nicht die gewonnenen Spiele im Gedächtnis haften bleiben, sondern
die wenigen eklatanten, spielentscheidenden Fehler. "Es war grausam." Mit drei Worten beschrieb
Kickers-Torhüter Rene Keffel seinen Gemütszustand am Freitag Abend um 19.38 Uhr. Ein harmloser Rückpaß von
Gramminger prallte dem 30jährigen Routinier gegen das Schienbein und hoppelte über die Torlinie. "Ich wollte
hinterher, bin aber ausgerutscht." Nach dieser filmreifen Einlage rechnete Keffel mit einem Pfeifkonzert.
"Was dann kam, war der Wahnsinn." Noch Stunden nach dem Spiel konnte Keffel kaum fassen, daß die 16000
Zuschauer den Torwart sofort nach seinem Fehler mit Sprechchören, aufmunterten, jede gelungene Aktion frenetisch
bejubelten. Und das war oft der Fall, denn Keffel rettete mit einem halben Dutzend glänzender Aktionen den
Sieg. Höhepunkt war sein Duell mit Weiß im Strafraum, als er nach einem Rückpaß den Bayern-Stürmer ganz
elegant ins Leere laufen ließ.
Sogar den Siegtreffer leitete er mit einem weiten Abschlag ("Da habe ich mich dank Stephan Groß enorm
verbessert") ein. "Ich kann mich nur riesig bei unseren Fans bedanken, daß sie mich so aufgebaut haben."
Das war in der Vergangenheit nicht immer so. Lange Zeit kämpfte Keffel um einen Stammplatz. Erst unter
Borchers wurde er die souveräne Nummer eins. Seit er im Aufstiegsspiel 1997 gegen Pforzheim das
Elfmeterschießen im Alleingang entschied, feiern ihn die OFC-Fans als "Fußball-Gott."
OFC-Manager Klaus Gerster "adelte" Keffel sogar: "Nach so einem Ding können nur wirklich große Torhüter
noch so eine überragende Leistung zeigen."
(Bericht aus der OFFENBACH-POST vom 28.09.98)
Kein Rezept gegen die Viererketten
Kickers - Taktik ging nicht auf
"Wer solche Spiele gewinnt, wird Meister." Nicht wenige Kickers-Sympathisanten fühlten sich nach dem
äußerst glücklichen 2:1-Sieg gegen die Amateure der Münchner Bayern an die vergangene Saison erinnert, als
die Offenbacher mehrfach das Glück gepachtet hatten. Die "Bayern-Bubis" brachten die Kickers derart in
Bedrängnis, daß selbst Trainer Boysen in seiner Analyse nur die Hoffnung auf schwächere Gegner blieb: "Wir
hatten noch nie einen Gegner, der uns so gefordert hat. Zum Glück spielen wir nicht jede Woche gegen so
eine starke Mannschaft. Deshalb werde ich mit meiner Mannschaft auch nicht so hart ins Gericht gehen."
Besonders taktisch waren die Offenbacher am Freitag klar unterlegen. Zu keiner Phase des Spiels fanden die
Kickers Mittel gegen die beiden Viererketten der Bayern in Abwehr und Mittelfeld. "Alles war genau abgesprochen.
Wir haben es im Training geübt. Aber im Spiel ging gar nichts", rätselte Günther Maier, warum der
Tabellenführer in den 90 Minuten nur eine Torchance herausspielen konnte.
"Gegen Viererketten hatten wir schon immer Probleme", erinnerte Boysen an die Spiele im Vorjahr gegen Ulm,
Reutlingen (am Samstag nächster Kickers-Gegner!) und Waldhof Mannheim. Vergebens hatte der Trainer gehofft,
daß Tom Stohn die spielerischen Probleme beheben könnte. Der Neueinkauf hat noch überhaupt keine Bindung zum
OFC-Spiel gefunden und ist auch noch nicht fit. "Einige Spieler sind nicht im Vollbesitz der Kräfte", weiß
auch Boysen, geht aber bewußt dieses Risiko ein. "Ich kann das mit Training wettmachen, dann dauert es noch
zwei, drei Wochen. Aber ich habe mich für die Variante Spielpraxis entschieden."
Nicht ganz so verständnisvoll ging Boysen mit Dirk Vollmar um. Den Stürmer holte er nach. 28 Minuten wütend
vom Platz. "Er hat sich taktisch schlecht verhalten. Aber ich werde ihn bestimmt nicht verdammen", meinte
Boysen, dem auch aufgefallen war, daß die Kickers dann ohne zweite Sturmspitze neben Roth keineswegs besser,
sondern noch harmloser spielten.
Das beeindruckendste am Freitagabend war wieder einmal die Kulisse. 16 000 Zuschauer sorgten für "eine irre
Atmosphäre. Da macht es richtig Spaß dabei zu sein", meinte Bayern-Trainer Bassemir und bedauerte, "daß wir
nächste Saison vielleicht nicht mehr hierherkommen." Vielleicht.
(Bericht aus der OFFENBACH-POST vom 28.09.98)