Regionalliga-Süd Saison'98/'99

Spielpaarung vom 14. Spieltag

SV Waldhof Mannheim - Kickers Offenbach
Endergebnis: 1:2 (1:1)


Spielbericht vom 31.10.98
Mit taktischer Meisterleistung Tabellenspitze zurückerobert
Kickers-Abwehrbollwerk sichert den 2:1-Sieg beim SV Waldhof Mannheim

"Wenn das Ding in die Hose geht, wird der Trainer zerrissen. So aber wurde sein hohes Risiko belohnt." Dietmar Roth brachte es auf den Punkt: Mit einer taktischen Meisterleistung haben die Offenbacher Kickers die Tabellenführung in der Fußball-Regionalliga Süd durch den 2:1-Sieg beim bisherigen Spitzenreiter SV Waldhof Mannheim zurückerobert. Das Konzept von Trainer Hans-Jürgen Boysen, mit drei schnellen Stürmern gegen die Waldhöfer Viererkette anzutreten, ging auf, damit dürfte er endgültig aus der Schußlinie einiger Kritiker geraten sein.

"Leidtragender" der Taktik war in der umgekrempelten Mannschaft auch Kapitän Oliver Roth, der meinte: "Es geht um den OFC und darum, ein gutes Ergebnis zu erzielen. Wenn das gelingt, hat der Trainer recht gehabt."

Und Boysen hatte diesmal recht, nachdem das Spiel gegen Viererketten bisher eine Schwäche der OFC-Mannschaft war. Vor allem auf das neuformierte Abwehrbollwerk der Kickers war Verlaß. Der nach einer "schöpferischen Pause" wieder in die Mannschaft gekommene Bernd Gramminger meldete Waldhofs Torjäger Kirsten völlig ab, Patrick Dama machte die linke Abwehrseite gut zu, so lange seine Kräfte ausreichten ("Ich habe meine Auswechslung signalisiert"), und Roth spielte einen fehlerfreien Libero. Michael Köpper und Dubravko Kolinger sorgten für die absolute Lufthoheit im Strafraum, wenn auch die brenzligsten Situationen nach Kopfbällen zustande kamen.

Eine halbe Stunde lang tat sich kaum etwas auf dem schweren, schwammigen Boden des Carl-Benz-Stadions vor offiziell 14500 Zuschauern, davon ein Drittel aus Offenbach. Die Gastgeber versuchten, mit langen Bällen die Offenbacher Hintermannschaft zu überraschen. Da dies nicht gelang, spielte sich das sehr kampfbetonte Geschehen zumeist im Mittelfeld ab.

Ein umstrittener Eckball führte in der 32. Minute zum 1:0. Birlik verlängerte am kurzen Pfosten mit dem Kopf, und der Ball senkte sich an den hinteren Innenpfosten und ins Netz. Der einschußbereite Borges mußte nicht mehr eingreifen. Aber die Kickers waren nicht geschockt, antworteten gekonnt: Stefan Ertl schickte Stefan Simon, dessen Flanke bei Günther Maier landete. Seinen Flachschuß konnte SVW-Keeper Straub nur abklatschen, und Oliver Speth mußte aus fünf Metern den Ball nur noch über die Torlinie schieben. Das 1:1 entsprach den Spielanteilen, war aber mit dem Pausenpfiff gefährdet. Ein weiter Freisto0, der sich abermals über Keffel senkte, wurde von Pasieka in den Strafraum geköpft und von Rehm zur vermeintlichen 2:1-Führung eingeschossen. Aber der Linienrichter signalisierte, daß der Ball zuvor die Torauslinie überschritten hatte - Aufatmen beim Kickers-Tross.

Dem erwarteten Druck der Waldhöfer nach der Pause begegneten die Kickers mit dem schnellen 2:1-Führungstor. Nach einem Traumpaß von Oli Speth spielte Dirk Vollmar, der läuferisch und kämpferisch eines seiner besten Spiele im OFC-Trikot machte, Torwart Straub aus und schoß den Ball aus spitzem Winkel ins leere Tor. Allerdings vergab Vollmar noch zwei große Möglichkeiten zum 3:1.

Einziges OFC-Manko blieb das Konterspiel, denn zu viele Bälle aus günstigen Mittelfeldpositionen wurden zu spät oder zu ungenau zum freigelaufenen Mitspieler gebracht. Aber die Abwehr sorgte dafür, daß Keffel nahezu beschäftigungslos blieb.

Der Waldhöfer Frust machte sich in vielen Nickligkeiten bemerkbar. Negativer Höhepunkt war das brutale Foul von Ratkowski von hinten an Roth, das zur Roten Karte führte.

Nach dem Schlußpfiff gab es kein Halten. Die Kickersspieler stürmten zu den Fans und warfen ihre Trikots in die jubelnde Menge.

 

Druck des Erfolges

Sicher, die Kickers haben den wichtigen Vergleich mit Waldhof Mannheim verdient gewonnen und sich damit die Tabellenspitze zurückerobert. Aber erleichtert dieser Erfolg wirklich die Arbeit des Trainerduos Hans-Jürgen Boysen und Stephan Groß ? Auf den ersten Blick: Ja. Es sichert ihre Position. Auf den zweiten Blick: Nein. Denn die ohnehin hohen Erwartungen steigen mit jedem Punkt. In den vergangenen Wochen wurde deutlich: Die Kickers-Freunde haben keine Freude an Platz zwei; nicht einmal kurzfristig. Die Meisterschaft zählt - und sonst gar nichts. Da können Trainer und Verantwortliche reden wie sie wollen.

Boysen leistet gute Arbeit, die Taktik gegen Waldhof stimmte. Erstmals in dieser Saison behauptete sich der OFC gegen eine Vierer-Abwehrkette - und das auch noch im Spitzenspiel. Kampf dominierte, aber der war bei den Bodenverhältnissen eben mehr gefragt als die hohe Ballkunst. Die beherrscht Waldhof besser als die Kickers. Auch das wurde deutlich. Von einer Vorentscheidung mag niemand sprechen. Ein Zähler Vorsprung ist zu wenig, die Saison zu lang, die Ausgangsposition des OFC aber günstig. Von den verbleibenden fünf Spielen vor der Winterpause bestreitet er drei auf dem Bieberer Berg. Und dort hat er noch nicht verloren.

Der Sieg in Mannheim brachte Offenbach ein Stück näher an das große Ziel: Rückkehr in den bezahlten Fußball. Doch mit jedem Schritt steigt auch der Druck auf Trainer und Mannschaft, die Chance noch zu verspielen.

(Bericht aus der OFFENBACH-POST vom 02.11.98)

 

"Wechsel an der Spitze reicht jetzt"

Eitel Freude herrschte auch bei den Verantwortlichen der Offenbacher Kickers nach dem 2:1-Triumph beim SV Waldhof, dessen Führungskräfte (Trainer Uwe Rapolder: "Ich bin restlos bedient.") angesichts des in der vergangenen Woche abgeschlossenen Millionensponsorenvertrages dagegen zutiefst enttäuscht waren. OFC-Trainer Boysen vermeldete, daß "das Tief durchschritten" sei, wobei er seine wiedergenesenen Youngster Dama und Speth besonders lobte: "Sie haben für einige Impulse gesorgt." Zwar kamen einige Spieler mit Blessuren in die Kabine und waren total kaputt, aber die Freude über den Sieg und die Übernahme der Tabellenspitze übertraf alles.

Für den Technischen Direktor Klaus Gerster zählt der Sieg doppelt. Einmal sei bei einem Konkurrenten um die Meisterschaft gewonnen worden. Zum anderen habe der OFC in den nächsten vier Spielen drei Heimspiele, Waldhof dagegen drei Auswärtspartien (Bayern-Amateure, Wehen, Burghausen, dazu Reutlingen zuhause). "Das Wechselspiel an der Spitze reicht uns jetzt", verkündete Gerster vollmundig und "hofft auf eine ganz andere Einstellung der Fans in den nächsten Heimspielen". Zu den Verhandlungen mit der Verwaltungsberufsgenossenschaft VBG sagte der Kickers-Manager, daß die 81 000 Mark aus dem Regionalliga-Jahr 1994/95 "erledigt seien". Und wegen den rückständigen Zahlungen seit 1983/84 werde verhandelt, es "bestehe für den Verein aber in keiner Weise eine bedrohliche oder besorgniserregende Situation". Für OFC-Vizepräsident Prof. Ulf Tunn war das Spiel eine "Nagelprobe. Es wurde eine Formation gefunden, die unsere Ziele intellektuell verarbeiten und erreichen kann".

(Bericht aus der OFFENBACH-POST vom 02.11.98)

 

OFC "wie die Bayern in der Bundesliga"?
Über die psychische und physische Überlegenheit der Kickers

Psychisch waren die Kickers stark, physisch noch stärker. So der Eindruck Klaus Gersters. Und der Technische Direktor des OFC weiter: "Wir hatten heute elf Siegertypen auf dem Platz." Wie, nur elf? "Nein, natürlich nicht, es gehören auch die Ersatzspieler dazu."

Und weil im Vergleich des Spitzenreiters gegen den unmittelbaren Verfolger dessen Kampfeswillen und Einsatzbereitschaft über Technik und Schönspielerei (Bernd Gramminger: "Das war heute nicht gefragt"), dominierte, gewannen die Kickers das Spitzenspiel der Fußball-Regionalliga Süd beim SV Waldhof Mannheim 2:1.

Und warum war das in dieser Saison nicht immer so ? Gersters Universalantwort: "Weil das eben Fußball ist." Sitzt, paßt, wackelte nicht: Kickers sind wieder Tabellenführer. Der Rest war wurst. Trainer Hans-Jürgen Boysen ("Ich war mit allen sehr zufrieden") gönnte den Spielern zwei Tage Trainingspause - erst morgen geht's weiter. Und die Akteure ? Sie gönnten sich die dritte Halbteit - wo auch immer.

Bei aller Freude bewahrte der etatmäßige OFC-Kapitän Oliver Roth Gelassenheit. Am Montag bekam er eine Andeutung, am Samstag Gewißheit und Gramminger die Kapitänsbinde: 90 Minuten saß Roth auf der Bank und hatte Mühe sich zu erinnern, wann er letztmals solch eine Situation erlebte. "Das muß so an die zehn Jahre her sein."

Die Reaktion des Stürmers, der ein Opfer von Boysens Taktik wurde: kein böses Wort, kein Granteln, allenfalls ein Schmunzeln und die Bemerkung. Der Trainer sei überzeugt gewesen, daß seine Taktik richtig sein werde. Und das Spiel habe ihm recht gegeben. "Wir haben das Schwächeln der vergangenen Tage und Wochen mit einem Wisch weggeputzt."

Von der taktischen Variante Boysens, die Viererkette mit drei Stürmern zu knacken, profitierte Dirk Vollmar, der vorne viel Platz und alle Freiheiten besaß und diese auch nutzte. Er verbreitete das Credo vom Fußball als Mannschaftssport, "denn nach den Wochen, in denen wir runtergeputzt wurden, können wir Spiele wie gegen Waldhof nur gewinnen, wenn die Mannschaft intakt ist". Aber weil der OFC "wie die Bayern in der Bundesliga Riesenspieler und einen Riesenkader" besitzt, weiß auch Vollmar: "Fußball ist ein Tagesgeschäft. Nächste Woche gegen Pfullendorf kann alles wieder ganz anders aussehen."

Der Angreifer erlebte die Gesetze des Marktes, bei dem Konkurrenz das Geschäft belebt, in dieser Saison wie kein anderer beim OFC. Auf und nieder gab es bei ihm immer wieder. Ein guter Start, nach vier Spielen ein Loch, starke Vorstellung und zwei Treffer in Ditzingen, gegen die Bayern-Amateure wegen "mangelnder taktischer Leistung" nach nicht einmal einer halben Stunde ausgewechselt. "Aber seit zwei Wochen bin ich wieder da." Boysen sah's ähnlich: "Vollmar ? Wieder ein Tor und hervorragende Laufwege."

(Bericht aus der OFFENBACH-POST vom 02.11.98)


Mannschaftsaufstellungen:

SV Waldhof MannheimKickers Offenbach
Straub, Ratkowski, Rehm, Borges, Santos, Hach (82. Georgiadis), Pasieka, Mallam, Protzel (53. Vukcevic), Kirsten, Birlik (71. Georgiev). Keffel, D. Roth, Gramminger, Kolinger, Maier, Speth (78. Hartmann), Köpper, Dama (62. Giersch), Ertl, Vollmar (86. Stohn), Simon.

Spielstatistik:

SchiedsrichterToreGelbe KartenGelb-Rote KartenRote KartenZuschauer
Albrecht (Kaufbeuren)1:0 Birlik (32.),
1:1 Speth (35.),
1:2 Vollmar (48.)
Protzel, Santos, Pasleka, Birlik, Hach, Rehm (Waldhof) / Köpper, Vollmar (OFC)-Ratkowski (80.)14500
Alle Angaben ohne Gewähr


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Seite wurde am 02.11.98 aktualisiert