Die Kickers wittern wieder Morgenluft
Mühsam erkämpfter 2:1-Sieg über RW Oberhausen nährt bei den Offenbachern die Hoffnung auf den Klassenerhalt
Die wirtschaftlichen Voraussetzungen für den weiteren Verbleib in der Zweiten
Bundesliga haben die Offenbacher Kickers mit dem Verkauf der vereinseigenen Werberechte
in der vergangenen Woche gesichert. Jetzt machten sie auch aus sportlicher Sicht
einen Schritt nach vorne. Beim 2:1 (2:1)-Sieg über Rot-Weiß Oberhausen sicherte
das abstiegsgefährdete Team drei eminent wichtige Punkte. "Durch diesen Dreier",
sprudelte es aus Trainer Peter Neururer hervor, "erhält der Bonuspunkt von Köln
erst seine Wertigkeit." Man hätte es auch einfacher sagen können, und das tat
der zufriedene Coach dann auch: "Das Prinzip Hoffnung wird größer."
Dass für beide Mannschaften viel auf dem Spiel stand, war von vorneherein klar.
Für die Platzherren galt es, den Kontakt zu den Mannschaften auf den Nichtabstiegsplätzen
wieder herzustellen. Die Gäste wollten hingegen den Abstand zu den Abstiegsrängen
nicht schmelzen lassen. Eine Last, die beiden Teams merklich zu schaffen machte.
Zumindest ging es recht schleppend los auf dem Bieberer Berg.
Die Kickers waren bemüht, vor heimischen Publikum das Spiel zu machen, doch mehr
als ein Strohfeuer brannten sie in den ersten beiden Minuten nicht ab.
Der Elan der Kickers war schnell dahin, weil die Gäste sehr massiv in der Abwehr
standen. Wenn ein Offenbacher Stürmer, zu denen Holger Gaißmayer auf Grund einer
Rückenverletzung nicht gehörte, einmal den Deckungsverband überwinden konnte,
war das gleichbedeutend mit einer Abseitsstellung des OFC. Immer wieder tappte
der in die Falle der Oberhausener.
Und weil die Elf vom Niederrhein hinten so wenig Probleme hatte, konnte sie es
auch einmal riskieren, ganz bewusst den Vorwärtsgang einzulegen.
Eine Reihe von Ecken erarbeiteten sich die Gäste auf diese Weise. Womit sie die
Offenbacher doch arg in Bedrängnis brachten. Denn nach 13 Minuten hatten die
OFC-Defensivstrategen den Überblick verloren. Zu ihrem Glück bewahrte sie beim
Volleyschuss von Frank Scharpenberg die Latte vor einem Rückstand.Die Warnung
kam an. Plötzlich wirkten die Kickers verunsichert.
Nur einer im rot-weißen Dress scheint derzeit überhaupt keine Selbstzweifel zu
kennen. Dubravko Kolinger, seit Wochen der beständigste Akteur seiner Mannschaft,
schickte sich an, die Begegnung zu entscheiden. Mit einem beherzten Lauf über
rechts machte der Manndecker den Anfang. Auf die scharfe Hereingabe in der 21.
Minute stürzten vier Spieler beider Seiten, und letztlich war es wohl Sven Backhaus,
der die Stiefelspitze an den Ball bekamen. Allerdings zum Entsetzen seiner Mitspieler
- er traf ins eigene Tor.
Danach offenbarte die Hintermannschaft des OFC nämlich Schwächen, als in der
28. Minute ein Freistoß von Judt in den Strafraum segelte und der Ball auf dem
Fuß von Scharpenberg landete und der keine Probleme hatte einzuschießen.
Doch zum Glück für die Kickers spielte ja Kolinger. Schon in der 39. Minute sorgte
er wieder für die Führung, als er einen Freistoß vom rechten Strafraumeck ins
Tor drosch. Wie ein Strich flog der Ball. Unter den Offensivqualitäten Kolingers
mussten noch nicht einmal seine Defensivaufgaben leiden. Seinen Gegenspieler
Lars Toborg frustrierte er. Der Oberhausener Stürmer wusste sich nach zwei verlorenen
Zweikämpfen jeweils nur mit Fouls zu revanchieren und flog deshalb in der 40.
Minute vom Platz. Für Neururer eine Aktion, die spielentscheidend war, denn der
Platzverweis "bevorteilte uns. Vor Toborg hatten wir großen Respekt.""
Die so entstandenen Freiräume versuchte vor allem Kolinger zu nutzen. Zeitweise
ohne direkten Gegenspieler kristallisierte er sich als ständiger Unruheherd in
des Gegners Strafraum heraus. Ein weiterer Treffer blieb ihm jedoch verwehrt.
Zunächst kratzte Backhaus seinen Kopfball (59.) von der Linie, mit einem weiteren
Kopfball (60.) verfehlte er das Ziel knapp und schließlich wehrte Adler (61.)
ab. Zudem prallte ein Freistoß von Manfred Binz (66.) von der Latte ins Feld
zurück. Und weil es mit dem dritten Tor nicht mehr klappen wollte, mussten die
Kickers bis zum Schluss zittern, ehe der Erfolg sichergestellt war.
(Von Niels Barnhofer, FRANKFURTER RUNDSCHAU)
Ausgemusterter ist die Zuverlässigkeit in Person
Offenbach (joko) Sein 13. Saisonspiel war die vorläufige Krönung. Ausgemustert
von Ex-Trainer Boysen, zurückgeholt von Neururer, jetzt unersetzlich. Die Berg-
und Talfahrt des Dubravko Kolinger, der gestern sein bestes Spiel im OFC-Trikot
absolviert hat. Der Vorlage zur 1:0-Führung folgte der Siegtreffer zum 2:1. Im
13. Spiel der vierte Treffer für den Manndecker, der in der Torjägerliste nur
von Vladoiu und Binz (5 Tore) übertroffen wird.
Nach dem Siegtreffer gegen Greuther/Fürth (1:0), dem 1:2 in Stuttgart, dem 2:2
gegen Mainz sicherte der 24-Jährige mit seinem Freistoßtor bereits fünf Punkte
für den OFC. "Er ist die Zuverlässigkeit in Person", würdigte Trainer Neururer
auch die fehlerlose Defensivarbeit von Kolinger, der Obad und Vier abmeldete.
"Eine hervorragende Saison" bescheinigt Manager Gerster dem früheren Karlsruher.
"Nicht nur auf dem Platz hat er sich gut entwickelt. Auch innerhalb der Mannschaft
ist er als positiver Faktor sehr wichtig."
"Ich kann zufrieden sein", meinte Kolinger, dessen Vertrag noch bis 2001 läuft.
Der aber, genau wie Dolzer, Dama und Vladoiu, mit seinen konstant guten Leistungen
längst schon andere Profivereine auf sich aufmerksam gemacht hat. "Interessiert
mich jetzt nicht. Wichtig ist doch nur, dass wir drinbleiben. Wenn wir die Heimspiele
gewinnen, habe ich keine Bedenken." Schließlich hat Kolinger auch den ersten
Auswärtssieg eingeplant. "In Aachen waren wir dran, in Köln auch, jetzt ist der
erste Sieg eben in Fürth fällig."
Neben Kolinger wurde gestern besonders Oliver Roth, der für den verletzten Gaißmayer
erstmals seit 29. November 1999 von Beginn an spielte, von den Fans gefeiert.
Aus der Vergangenheit bekannt, aber in Zukunft nicht mehr oft möglich. "Die größte
Motivation sind natürlich diese tollen Fans", meinte Roth, der wohl nur noch
drei Mal die Gelegenheit hat, auf dem Bieberer Berg zu spielen. Denn obwohl der
Ex-Kapitän in seinem 14. Saisonspiel eine gute Leistung zeigte, ist sein Abschied
aus Offenbach beschlossene Sache. "Ich werde wieder an der Börse arbeiten." Mit
dem Klassenerhalt und seinem ersten Tor in der 2. Liga würde der Abschied sicher leichter fallen.
(Von Jochen Koch, Offenbach Post)
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