Zurück im Geschäft
Würll schießt den OFC in Schweinfurt zum Sieg, doch Trainer Berndroth findet weiterhin Härchen in der Suppe
Am Samstagabend hat Ramon Berndroth die Arme hinter dem Kopf verschränkt, die Beine hochgelegt und Gott, der es mit Kickers Offenbach zurzeit nicht schlecht zu meinen scheint, einen guten Mann sein lassen. Zur Zerstreuung guckte der Trainer des OFC ein bisschen Fernsehen, "Wetten, dass ...?" flimmerte über die Mattscheibe. Ob Berndroth jedoch, da innerlich aufgewühlt, gedanklich beim dampfplaudernden Blondie Thomas Gottschalk war, darf zumindest leicht bezweifelt werden. Schließlich war, wenige Stunden zuvor, im Schweinfurter Willy-Sachs-Stadion ein Fußballspiel abgepfiffen worden, das für den OFC am Ende ein Meilenstein auf dem dornigen Weg zum Klassenerhalt sein könnte, denn spätestens nach dem 1:0 (0:0)-Sieg beim Tabellenzweiten aus Franken sind die Kickers wieder "back in Business", zurück im Geschäft.
Vier Spiele, zwei gewonnen, zwei unentschieden, macht acht satte Punkte. Zum Vergleich: In 20 Spielen vor der Winterpause klaubten die Hessen gerade mal 18 Zähler zusammen. Eine Bilanz also, die aller Ehren wert ist, die für die Zukunft zuversichtlich stimmt, die aber auch so oder so ähnlich ausfallen musste, um überhaupt eine reelle Chance zu haben, die Klasse zu erhalten, "ansonsten", sagte Berndroth, "wären wir doch jetzt schon total abgeschlagen, bereits abgestiegen". Abheben werde aber keiner seiner Mannen, da mache sich der Trainer gar keine Sorgen, "euphorisch werden sie so schnell nicht".
Was vielleicht auch daran liegt, dass die Kickers zwar punktemäßig mächtig Boden gutmachen, "aber immer noch nicht so Fußball spielen, wie ich es mir vorstelle", bedeutete der Fußballlehrer, der es daher auch kaum fassen kann, "dass es in Schweinfurt gut gegangen ist".
Dabei hatten sich die Offenbacher den Sieg, den der überragende Stürmer Patrick Würll mit einem Kracher aus 18 Metern (76.) herausschoss, bei den verunsichert wirkenden Schweinfurtern redlich verdient, setzten den Gastgebern "hunderprozentigen Willen" (Berndroth) entgegen, lieferten taktisch eine erstklassige Leistung ab, spielten diszipliniert und stellten die Räume geschickt zu. Und in Schweinfurt wurden, auch wenn Berndroth das öffentlich nicht so gerne verlautbaren lässt, wieder einige Helden geboren. "Fossi, Ertl, Dworschak, Thier", zählt der Trainer auf, "die waren schon verdammt stark - und natürlich Patrick Würll, der hat sensationell gespielt."
Doch natürlich hat Ramon Berndroth auch wieder einige Härchen in der Suppe gefunden, zu viele "unlogische Handlungen" habe er beobachten müssen, unnötige Ballverluste durch Stefan Dolzer oder Michael Köpper etwa, "das kann ich nicht nachvollziehen". Überhaupt verhalte sich die Mannschaft noch nicht clever genug, es gebe Phasen im Spiel, "da werden sie schon fast wieder selbstgefällig", da mache sich eine gewisse Sorglosigkeit, der "Hang zum Naiven" breit. "In der Regionalliga", sagte Berndroth, "wird das sofort bestraft."
Seinem Team komme aber zu Gute, dass es fast alle Spiele in der Hinrunde verloren hat, "davon profitieren wir, denn die Gegner tragen jetzt die Bürde des Favoriten, und für uns haben die Spiele einen Revanche-Charakter". Zudem sei die Mannschaft gefestigt, "da will keiner mehr beweisen, wie gut er Fußball spielen kann", Kickers Offenbach "stabilisiere" sich, was Berndroth aber als logischen Prozess ansieht, "so lange wie ich, war ja in dieser Saison auch noch kein Trainer hier".
Und nun ? Erst einmal zurücklehnen ? "Nein", sagte Berndroth, "dazu gibt es keinen Grund, was haben wir denn erreicht ?" Er bleibe "ganz cool", man wisse ja nie, "wo der Ball das nächste Mal hinfällt". Nun denn, zumindest der Anschluss ist hergestellt, ein Punkt trennt den OFC nur noch von einem Nichtabstiegsplatz, und in zwei Wochen kommt der VfR Aalen auf den Bieberer Berg. "Da wird der Käfig voll sein", sagte der Trainer, "wenn wir die Spiele zuletzt vergeigt hätten, dann wären noch 2500 gekommen."
(Von Ingo Durstewitz, FRANKFURTER RUNDSCHAU)
Auch nach dem 1:0 in Schweinfurt will sich Trainer Berndroth nicht blenden lassen
Kickers-Sieg ein Erfolg der Ordnung und des Willens
FRANKFURT. Am Tag nach der großen Überraschung war Ramon Berndroth schon
wieder dienstlich in Richtung München unterwegs. Auch wenn es dem Trainer
der Offenbacher Kickers nach dem 1:0 Sieg seiner Mannschaft beim Tabellenzweiten
Schweinfurt 05 wohl niemand übergenommen hätte, wenn er - wie seine Spieler
- einen verdienten freien Nachmittag genossen hätte. Aber Berndroth läßt sich
nicht vom kurzfristigen Erfolg täuschen, auch wenn die Kickers unter seiner
Regie jetzt in vier Spielen acht Punkte angesammelt haben und die Welt im
tristen Abstiegskampf der Fußball-Regionalliga wieder etwas freundlicher aussieht.
"Was haben wir denn schon erreicht?" fragt Berndroth und gibt die Antwort
selbst: "Gut, wir haben unsere schlimme Situation ein bißchen gemildert.
Sonst wären wir schon weg vom Fenster." Fakt ist, daß er OFC mit Platz immer noch
einen Abstiegsrang innehat. Also gibt es keinen Grund, sich selbstgefällig
zurückzulehnen. Im Gegenteil: Harte Arbeit ist angesagt.. Und da geht
Berndroth mit gutem Beispiel voran. 400 Kilometer weiter südlich haben die "kleinen
Löwen" - ein direkter Konkurrent im Abstiegskampf - gegen Eintracht Trier
gespielt, und so etwas läßt sich der OFC-Trainer nicht entgehen. "Es war die
einzige Möglichkeit, die Sechziger zu beobachten", sagt Berndroth, der ein 1:2 der
Münchener zu sehen bekam. Nicht schlecht für den OFC,
Natürlich ist er ein wenig stolz auf seine Mannschaft, der am Tag zuvor in
Schweinfurt eine Überraschung, "auf die man insgeheim in unserer Situation
ja hoffen muß", gelungen ist. Aber so wie sich die Kickers vor 3500 Zuschauer
im Willy-Sachs-Stadion präsentiert haben, mußte man irgendwie kaum Sorgen
haben. Wobei Berndroth den Gegner in die Kategorie "dankbar" eingeordnet
hat. Weil es leichter sei, beim Tabellenzweiten anzutreten als gegen einen
Abstiegskonkurrenten. Wobei Schweinfurt nun keine allzu spielstarke
Mannschaft besitzt.
Deswegen ist es dem OFC bis auf zwei, drei Szenen, in denen Torjäger Agu
seine Gefährlichkeit bewies, auch relativ leicht gefallen, die Unterfranken
weitgehend aus der Gefahrenzone fernzuhalten. Bezeichnenderweise hat sich
Berndroth da draußen in der Coaching-Zone an unwohlsten gefühlt, als seine
Mannschaft Mitte der zweiten Halbzeit das Heft selbst in die Hand nahm. Weil die
eigentliche Schweinfurter Stärke in der Kunst besteht, Fehler des Gegners
eiskalt auszunutzen. So wie im Hinspiel. Doch seitdem Berndroth die Fäden in der
Hand hält, hat sich beim OFC zumindest eines grundlegend geändert: Die Mannschaft
hat endlich eine gewisse Grundordnung auf dem Platz, und die behält sie auch
bei. "darauf habe ich großen Wert gelegt, weil vor der Kür die Pflicht
kommt." Wobei in Schweinfurt auch die Kür zu sehen war. In jener 76. Minute,
als Patrick Würll an der Strafraumgrenze mit dem Rücken zum Tor angespielt
wurde, sich elegant um zwei Schweinfurter drehte und sein Werk mit links aus 17
Metern vollendete. Torhüter Scherbaum hatte gegen den plazierten Schuß keine
Chance. Für den Mann des Tages, der seine komplette Fußballjugend beim FC
Schweinfurt O5 verbracht hat, war das natürlich "ein traumhaftes Gefühl,
hier das entscheidende Tor zu machen". Zumal der von den Bayern Amateuren an den
Bieberer Berg gekommene Schweinfurter Jung' ja erst unter Berndroth wieder in die
Stammformation gerückt ist. Kein Wunder, daß der Trainer für den jungen
Angreifer, der sogar noch das 2:0 hätte erzielen können, lobende Worte fand.
"Das war eine tolle Aktion." Und der kleine Unterschied zwischen drei und einem
Punkt. "Dieses eine Tor waren wir besser", sagte Berndroth, und auch sein
Kollegen Djuradi Vasic gab zu, daß "die Kickers in der zweiten Halbzeit besser"
gewesen seien. Ein Arbeitssieg, ein Erfolg der Ordnung, der
Einsatzbereitschaft und den Willens. "Wir müssen eben Fußball noch arbeiten", sagt Berndroth,
der schon am Freitag abend als Beobachter mit Vergnügen gesehen hat, wie
Regionalligafußball auch sein kann.
Er hat das 3:3 der Darmstädter gegen Pfullendorf miterlebt. Und die
"Lilien", die als Tabellendritter schließlich vom Kickers-Sieg in
Schweinfurt profitiert haben, weil sie dadurch den Unterfranken bis auf 4 Punkte nahe
gekommen sind, haben den OFC-Trainer sichtlich beeindruckt. Berndroth hat ein Team
mit System, mit perfektem Flügelspiel gesehen, mit organisiertem Pressing, eine
Mannschaft, in der jeder weiß, was der andere macht. "Hut ab. Da sieht man
die Aufbauarbeit eines Trainers", sagt der OFC-Trainer zum Werk des Kollegen
Michael Feichtenbeiner. "Da möchte ich einmal mit den Kickers hinkommen",
sagt Berndroth. In dieser Saison wird das wohl kaum mehr möglich sein. Da ist
-zumal im Abstiegskampf - mehr die erdige Form des Fußballspiels gefragt.
"Aber solange wir mit unserer Mitteln erfolgreich sind, ist mir das egal". Dann
müßten die Kickers ihre kleine zur großen Serie ausbauen.
(Von Klaus Dieterele, FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG)
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