In letzter Minute verschenken die Kickers den Sieg
Starke Leistung beim 2:2 in Trier macht Hoffnung auf eine Spitzenposition der Offenbacher in der Regionalliga Süd
Erst die Kickers, dann lange nichts, und irgendwann der Rest? Jawohl! So ist es.
Glaubt zumindest Paul Linz, das Schlitzohr auf der Trainerbank in Trier, und er
sagt es auch. Später nämlich, als das Tauziehen zwischen der Eintracht und den
Offenbachern beendet war und jeder einen Punkt für sich verbuchen durfte, hat Linz
die Kickers gebauchpinselt, ihnen ein paar nette Worte mit auf den beschwerlichen
Heimweg gegeben. Sie sollen sich nicht so sehr grämen über diesen blöden
2:2-Ausgleichstreffer in der 90. Minute, hat er gesagt, schließlich stelle der OFC
ohnehin die mit Abstand beste Mannschaft der Regionalliga. "Ihr", hat Linz dem
Offenbacher Manager Klaus Gerster zugeflüstert, "werdet doch eh Meister  mit
zehn Punkten Vorsprung." Da hat der Klaus Gerster dann schmunzeln müssen
und abgewunken, denn eigentlich war er ja gerade darum bemüht, den Ball flach zu halten.
2:2 also im ersten Spiel, die Kickers haben, zweifelsfrei, zwei Punkte verschenkt
im Moselstadion zu Trier, nicht nur, weil sie den Ausgleich in der Nachspielzeit
kassierten, sondern weil sie die bessere, reifere Mannschaft waren, sich aber als
Meister im Chancenversieben präsentierten.
Nie und nimmer hätte die wacker kämpfende Eintracht noch einmal heran kommen
dürfen, in dieser hochklassigen, mit kuriosen und wunderschönen Toren gespickten
Partie. "Wir hätten", sagte der nicht immer sicher wirkende Torwart Cesar Thier,
"den Sack zu machen müssen." Haben sie aber nicht, und so stehen die
Offenbacher, bei denen Schlussmann Rene Keffel über seine
Nichtberücksichtigung "total enttäuscht" war, zwar nicht mit leeren Händen da,
mussten aber, wie Trainer Peter Neururer formulierte, "drei sicher geglaubte Punkte
wieder abgeben".
Der Coach war dennoch zufrieden mit der Leistung seiner Recken, "das war sehr
ordentlich, wir haben den Gegner absolut beherrscht". Nur mit der
Chancenverwertung haderte Neururer, "da müssen wir abgebrühter, cleverer
werden, eiskalt zuschlagen", was er aber nicht als Kritik an seinen drei Stürmern
verstanden haben wollte, denen er allesamt eine gute Leistung bescheinigte. Und
tatsächlich waren es eher Patrick Dama, Patrick Glöckner, Stefan Simon oder
Dubravko Kolinger, die beste Möglichkeiten versiebten, während die Angreifer Nazir
Saridogan, der für den verletzten Matthias Becker spielte, mit dem 1:1 sowie der
eingewechselte Tobias Schindler mit dem 2:1 ihr Soll erfüllten.
Die Trierer indes, die Neururer nach wie vor zu den Aufstiegsaspiranten zählt,
hatten Glück, dass sie einen jungen Mann namens Matthias Keller in ihren Reihen
hatten, denn der erzielte zwei herrliche Tore, das erste kurz vor der Halbzeit per
Heber (43.), das zweite kurz vor Schluss mit einem satten Volleyschuss aus 18
Metern in den Winkel, "der in 100 Jahren nur einmal gelingt" (Neururer). Gerade die
beiden Treffer kurz vor Ende der jeweiligen Halbzeit fuchsten den Trainer, "das
spricht nicht für eine 100-ige Konzentrationsfähigkeit" - so neu sind späte
Gegentore für die Kickers allerdings nicht.
Mit dem Punkt in Trier können die Hessen, die von etwa 1500 Fans begleitet
wurden, aber ganz gut leben, "wir wussten ja auch nicht, was auf uns zu kommt",
sagte Kapitän Lars Schmidt, "und wir wissen immer noch nicht, wo wir stehen",
ergänzte sein Trainer. Eines aber weiß Neururer, "die Trauben hängen verdammt
hoch, wir bekommen nichts geschenkt". Wer einen "Selbstläufer" erwarte, der sei
auf dem Holzweg, viel mehr erwartet der 45-Jährige "einen Kampf auf Biegen und Brechen".
So ähnlich sieht es auch Manager Gerster, der über das 2:2 gar nicht so
unglücklich war, es sei sogar der "ideale Auftakt" gewesen, denn nun wisse jeder,
"wie steinig der Weg ist". Jeder einzelne Spieler müsse 100 Prozent bringen - "95
reichen nicht". Gerster warnte ebenfalls vor allzu hohen Erwartungen im Umfeld, ein
Durchmarsch sei Träumerei, der OFC könne die anderen Teams nicht en passant
abfiedeln, "und das muss in die Köpfe rein, wir brauchen Respekt und Achtung vor
jedem Gegner". Die Messlatte müsse vernünftig aufgelegt werden, "wir werden
keine 102 Punkte holen".
Eintracht Trier: Ischdonat - Latinovic, Milosevic, Prus - Kosper, DeWit
(82./Mamedov), Racanel, Souza, Keller - Weis, Winkler (70./Hartenberger).
Kickers: Thier - Binz - Dolzer, Kolinger - Simon, Dama, Stohn (63./Sohler),
Schmidt, Glöckner - Würll (84./Roth), Saridogan (75./Schindler) Schiedsrichter:
Georg Greipl (Kirchdorf) - Zuschauer: 5330. - Tore: 1:0 Keller (42.), 1:1 Saridogan
(51.), 1:2 Schindler (80.), 2:2 Keller (90.).
(Von Ingo Durstewitz (Trier), FRANKFURTER RUNDSCHAU)
Kickers: Konzentrationsmängel, Komplimente, später Ausgleich
Trier Viele Komplimente von Triers Trainer Paul Linz ("Ihr seid am
Ende Erster mit zehn Zählern Vorsprung") aber nur einen Punkt:
Kickers Offenbach startete mit einem 2:2 (1:0) bei Eintracht Trier in
die neue Regionalliga-Saison. Und schon nach 93 Minuten in der
Drittklassigkeit mauerte Klaus Gerster: "In keiner Liga der Welt wird
es eine Mannschaft geben, die einen Durchmarsch hinlegt." Gerster
will seine Worte auch als Warnung verstanden wissen: 100 Prozent
müsse jeder Spieler geben, 95 Prozent würden nicht für den direkten
Wiederaufstieg reichen. Und weil nichts so schlecht ist, als dass es
nicht noch als gutes Beispiel dienen könnte: "Für uns war dies der
ideale Auftakt, denn jetzt weiß jeder, wie steinig und schwer der
Weg ist." Daher sei das Tor von Matthias Keller in der zweiten
Minute der Nachspielzeit nicht so schlecht, "wie es im Moment
aufgenommen wird". Doch Kellers Sonntagsschuss am Samstag
kostete die Kickers den schon sicher geglaubten Sieg. Alte
Schwächen also in der neuen Runde: Mangelnde Konsequenz vor
dem Tor und fehlende Konzentration. Diese Mischung war
maßgeblich Ursache für den Abstieg aus der Zweiten Liga, kostete
wertvolle Punkte gegen den 1. FC Köln, Borussia Mönchengladbach,
Aachen und Waldhof Mannheim.
1:0 für Trier (43.): Cesar Thier muss aus seinem Tor raus, will
klären, Matthias Keller hebt den Ball über den Torwart, der weiß:
"Ich kann nichts mehr machen, aber es steht einer auf der Linie."
Doch Dubravko Kolinger verschätzt sich, von seinem Hinterkopf prallt der Ball ins Netz.
Davor: Chancen für die Eintracht durch Miodrag Latinovic (9., Thier
pariert), Racanel Catalin (16., drüber), Dirk De Wit (19., Thier im
Nachfassen), Bernhard Weis (20., vorbei) und zwei Eckbälle von
Catalin (32., 33.) mit leichten Unsicherheiten des OFC-Keepers.
Kickers mit zwei Möglichkeiten. Kolinger köpft (29.); Nazir Saridogan
kontert, legt quer zu Stefan Simon. Der zeigt frei vor
Eintracht-Torwart Daniel Ischdonat Nerven. Ansonsten:
Klatschnasse, aber humorvolle 1600 Kickers-Fans, die im strömenden
Regen singen: "So was hat man lange nicht gesehn, so schön..."
1:1 (50.): Ischdonat schlägt ab, trifft den Rücken von Mitspieler
Michael Prus. Saridogan sprintet dazwischen, schiebt ein.
Danach: Jede Menge OFC-Chancen. Simon verzieht aus 22 Metern
(53.), Patrick Dama ist zu eigensinnig, übersieht den mitgelaufenen
Saridogan (56.), Würlls Versuch nach feiner Vorarbeit von Stefan
Dolzer, Patrick Glöckner und Lars Schmidt wird zur Ecke abgewehrt,
die Florian Sohler schießt. Simons Kopfball pariert Ischdonat.
1:2 durch Tobias Schindler (79.): Sohler, in der 63. Minute für den
enttäuschenden Spielmacher Tom Stohn eingewechselt, flankt zu
Schindler. Der, erst vier Minuten zuvor für Saridogan ins Spiel
gekommen, drückt den Ball mit der Brust über die Linie. Kommentar
zum ersten Tor gleich bei seiner Regionalliga-Premiere:
"Riesensache." Mehr Freude oder mehr Frust? "Kann ich noch nicht beantworten."
Denn es kam noch das 2:2 in der zweiten Minute der Nachspielzeit:
Kickers unter Druck, Dietmar Roth köpft den Ball weit nach vorne,
Kellers Sonntagsschuss aus 19 Metern kostet den OFC den ersten
Sieg. Kickers-Trainer Peter Neururer: "Ich bin enttäuscht wegen des
späten Tores, nicht wegen der Leistung meiner Mannschaft. Die war ordentlich."
(Von Martin Batzel, OFFENBACH-POST)
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