Stohns "Dummheit" schmeißt alles über den Haufen
Kickers Offenbach verliert nach Platzverweis 0:3 in Erfurt / Coach Müller lobt Moral / Konditionsmängel auffällig
Kurz vor Schluss gönnte sich Hans-Ulrich Thomale dann ein Schlückchen aus der
grünen Wasserpulle. Ein, zwei, drei Mal nippte er zaghaft, stellte sie dann ab
und atmete tief durch. So richtig erleichtert sah er nicht aus, der neue Trainer
von Rot-Weiß Erfurt, eher so, als wolle er gleich sagen: "Puh, das wäre geschafft,
auch wenn es verdammt harte Arbeit war." Die war es, zweifelsfrei, aber wen kümmert's,
die ersten drei Punkte unter Thomales Regentschaft sind den Thüringern nicht
mehr zu nehmen, und als der Schiedsrichter ein paar Minuten später die niveauarme
Begegnung im Steigerwaldstadion zwischen Erfurt und Kickers Offenbach abpfiff,
da schlichen elf in grün und weiß gekleidete hessische Fußballspieler in die
Katakomben. Einige schüttelten ungläubig das Haupt, andere hielten es gesenkt,
starrten zu Boden. Alles wie gehabt, alles schon einmal da gewesen.
0:3 verloren bei Rot-Weiß Erfurt, Aufwärtstrend gestoppt, Rückfall auf Tabellenplatz
18 der Regionalliga Süd und damit erneut Letzter. "Ich kann der Mannschaft keinen
Vorwurf machen", sagte später OFC-Trainer und Präsident Dieter Müller, "sie hat
gekämpft, alles gegeben, aber ihre Kampfeslust ist nicht belohnt worden." Letzten
Endes war die Partie in der thüringischen Hauptstadt schon um 14.20 Uhr, also
20 Minuten nach dem Anpfiff, so gut wie verloren, denn da spielten die offenbar
übermäßig belasteten Nerven Tom Stohn einen üblen Streich. Nach einem zünftigen
Zweikampf mit Danny Bach ließ sich der Mittelfeldspieler zu einer wenig klugen
Aktion hinreißen, kurzerhand schlug er mit der flachen Hand zu, traf seinen Gegenspieler
direkt unter der Gürtellinie und sah daraufhin folgerichtig die rote Karte.
Der Platzverweis sei "tödlich" gewesen, resümierte Dieter Müller, "diese Dummheit
hat unser ganzes Konzept durcheinander gebracht." Auch Teammanager Oliver Roth
war ob des Blackouts nicht gut auf den erst kürzlich wieder in Gnaden aufgenommenen
Stohn zu sprechen. "Das war eine Undiszipliniertheit par Excellence. Er hat die
Mannschaft sehr geschädigt. Darüber werden wir ernsthaft mit Tom sprechen müssen."
Zehn Offenbacher wehrten sich in der Folge jedoch tapfer gegen die drohende Niederlage,
versuchten die numerische Unterlegenheit durch Willen und Leidenschaft wettzumachen
- auch wenn die konditionellen Mängel augenfällig waren. Auch spielerisch war
das Dargebotene erneut mehr als dürftig, wenngleich von einem Team, das mit dem
Rücken zur Wand steht und mit einem Mann weniger spielt, auch keine fußballerischen
Glanzlichter zu erwarten sind.
Kurz nach dem Wechsel war es dann passiert, André Tews (47.) brachte per Kopf
die Gastgeber, die zuvor sieben Spiele in Folge ohne dreifachen Punktgewinn geblieben
waren, auf die Siegesstraße. Die Kickers wehrten sich, sie brachen nicht, wie
vorher so oft, wie ein Kartenhaus zusammen, sondern spielten mutig nach vorne,
probierten, wie Roth sagte, "das Ding noch umzubiegen". Stefan Ertl und Günther
Maier vergaben gute Chancen, die beste hatte der eingewechselte Nazir Saridogan,
der in der 87. Minute nach einer Ecke von Oliver Speth mit seinem Kopfball an
der Latte scheiterte. Im Gegenzug folgte der Knockout, Petr Nemec markierte das
2:0 (88.), ehe Günther Maier mit einem Eigentor (90.) die 0:3-Niederlage besiegelte.
Dieter Müller wollte die zehnte Niederlage im 19. Spiel allerdings nicht als
Beinbruch verstanden wissen, da seine Elf "bravourös" gekämpft habe, "ich stelle
mich voll hinter die Mannschaft." Auch Oliver Roth war im Grunde nicht unzufrieden,
das Team habe "Moral bewiesen, darauf können wir aufbauen. Die Jungs haben gezeigt,
dass sie eine Mannschaft sind." Als Schönfärberei wollte Roth seine Worte indes
nicht verstanden wissen, es seien entscheidende Fehler gemacht worden, "die einfach
nicht passieren dürfen", sagte er, und zudem habe der OFC mit 0:3 in Erfurt verloren,
hat nun wieder alle 17 Mannschaften vor sich. "Da brauchen wir nichts rosarot
sehen, das wäre ja lachhaft."
(Von Ingo Durstewitz, FRANKFURTER RUNDSCHAU)
Stohns Faustschlag leitet nächste OFC-Pleite ein
Erfurt/Offenbach. Gestern trafen sich die Spieler des Fußball-Regionalligisten
Kickers Offenbach auf dem Bieberer Berg zum Mittagessen mit den Klubverantwortlichen.
Nach der 0:3-Schlappe vom Vortag bei Rot-Weiß Erfurt war die Stimmung gedrückt,
als in der Stadion-Gaststätte "Offenbacher Haus" die Menüs serviert wurden. Dabei
war während der vergangenen Woche noch leichter Optimismus beim abstiegsgefährdeten
OFC spürbar gewesen.
"Wir können zuversichtlich nach Erfurt fahren", hatte Trainer und Präsident
Müller unmittelbar vor der Reise nach Thüringen gesagt. Doch es kam wieder einmal
anders. Der Aufwärtstrend, der nach dem ersten Sieg in zehn Partien vor einer
Woche gegen Eintracht Trier (1:0) herbeigesehnt wurde, blieb aus. Gegen den Kellernachbar
setzte es eine 0:3-Pleite, die den OFC wieder auf den letzten Platz beförderte.
Da konnten sich Müller & Co. auch nicht drüber freuen, dass das Team um Kapitän
Simon spielerisch gefiel.
"Im entscheidenden Moment haben wir geschlafen", konstatierte Team-Manager Roth.
Doch entscheidend war wohl auch, dass der OFC bereits ab der 20. Minute mit einem
Mann weniger auskommen musste. Stohn hatte nach einem Faustschlag gegen Schwarz
die Rote Karte gesehen. So ahnten zu diesem Zeitpunkt schon viele der mitgereisten
Kickers-Fans, was kommen musste: Offenbach unterlag einer Mannschaft, die zuvor
sieben Spiele sieglos geblieben war.
Die ersten 45 Minuten überstand das Müller-Team ohne Gegentreffer, doch direkt
mit Wiederanpfiff kam die Ernüchterung, als Tews aus kürzester Distanz ins Tor
von Keeper Thier köpfte. Dennoch blieb Offenbach am Drücker und kämpfte in Unterzahl
aufopferungsvoll. Wieder einmal war es die eigene Abschlussschwäche, die den
Kickers das Leben schwer machte. Symptomatisch: In der 87. Minute köpfte Saridogan
den Ball an die Latte, und im Gegenzug fiel die Entscheidung, als Nemec zum 2:0
für die Thüringer traf.
Zwei Minuten später kam es noch schlimmer: Mittelfeldspieler Maier stellte per
Eigentor den 0:3-Endstand her. Statt wie angepeilt auf einem Nichtabstiegsplatz
zu überwintern, werden die Kickers wohl auch an Weihnachten Tabellenletzter bleiben.
(Von Holger Kliem, FRANKFURTER NEUE PRESSE)
Stohn sieht Rot, Müller droht
Die Fans im Steigerwaldstadion feierten ihn. Klar, Hans Ulrich Thomale hatte ihnen den Erfolg zurückgebracht. Das freute auch die Spieler. Sie lobten, dass ihnen der neue Trainer in wenigen Tagen Selbstvertrauen eingeimpft und die Unsicherheit genommen hätte. Deshalb sprachen die Akteure aber nicht schlecht über die Arbeit von Vorgänger Frank Engel. Auch Sebastian Hartung, der erstmals in dieser Saison von Beginn an vor eigenem Publikum ran durfte, fühlte sich nicht als Gewinner des Trainerwechsels. Aber er war zumindest einer des Spiels. Denn der 19-Jährige bot auf der zentralen Mittelfeldposition eine viel versprechende Leistung, meldete aber deshalb keine Ansprüche auf einen Stammplatz an. "Wenn Heiko Cramer nächste Woche wieder spielen kann, dann wird er gesetzt sein." Das hätte sich der sonstige Regisseur auch verdient. Doch der ehemalige Jenaer möchte sich im Training weiter anbieten.
Diese Chance wird der Offenbacher Tom Stohn durch seine Rote Karte zunächst nicht haben.
Trainer Dieter Müller war stinksauer auf ihn, "für sein Verhalten gibt es keine Entschuldigung". Er muss nun sogar mit einer vereinsinternen Bestrafung rechnen.
(Von Gerald Müller, KICKER ONLINE)
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