Das zweite Gesicht der kleinlauten Kickers
Er trug zwar den Plastiksack mit schmutziger Wäsche aus der Kabine zum Mannschaftsbus, aber er wird nie schmutzige Wäsche waschen. So ist er nun mal, der Trainer der Offenbacher Kickers. Vielleicht würde es der Mannschaft und Ramon Berndroth selbst helfen, wenn er zur Abwechslung mal aus der Haut fahren würde. Statt dessen signalisiert er immer wieder Verständnis für ein Elf, die auf des Gegners Platz nichts zustande bringt. Doch trotz aller von Berndroth nach dem 0:1 bei den Stuttgarter Kickers vorgebrachten mildernden Umstände gärte es im Trainer. Immer wieder strich die Hand ums Kinn. Da konnte sich einer keinen Reim auf das gerade Geschehene machen.
Die Kickers aus Hessen wollten die Kickers aus Schwaben hetzen. Im Stile einer Spitzenmannschaft, so wie zuletzt beim 2:0 daheim über den Tabellenzweiten Jahn Regensburg. eine Halbzeit lang aber waren die Rollen vertauscht. Die abstiegsgefährdeten Kickers hetzten die Kickers aus der oberen Tabellenregion der Regionalliga Süd. Nie fanden die Offenbacher zu einem geordneten Aufbau ihres Spiels. Am Ende fragte Abwehrrecke Zitouni, ob über 90 Minuten einhundert oder zweihundert Fehlpässe zusammengekommen seien. Gerade Akteure wie Binz, Dworschak oder Würll agierten, als wollten sie aktiv dementieren, Zweitligaambition zu hegen. Kenner vom Fach, wie die Trainer "Ruheständler" Sundermann oder Haan am Samstag auf der Tribüne im Waldau-Stadion unter dem Fernsehturm in Degerloch, wunderten sich. Was sie sahen, passte nicht zum Anspruch. Kapitän Binz verschuldete jenen Freistoß, der in der 37. Minute letztlich zum Tor durch Paeslack führte. Die Abwehr ließ diesen unbehelligt köpfen, und dem in dieser Szene unentschlossenen Torhüter rutschte der Ball zudem durch die Beine.
Wir hätten es uns leichter machen können", sagte Marcus Sorg, der Trainer der Stuttgarter Kickers, hinterher. Wenn diese nur eine weitere ihrer zahlreichen Torchancen genutzt hätten. Ein Armutszeugnis für den OFC, der von der 68. Minute an, seit der Gelb-Roten-Karte für Polat, sogar einen Mann mehr auf dem Platz hatte. "Wir brauchen auswärts gar nicht mehr hinzufahren, ich verstehe das nicht", mochte OFC-Präsident Dieter Müller seine Enttäuschung nicht verbergen. Stuttgart ist keine Übermannschaft".
"Das war wieder zuwenig, das war alles nicht zwingend", grollte Müller und suchte das Weite. Da war keiner in den Reihen des OFC, der anderes sagte, jedenfalls von denen, die den Mund aufmachten. Zitouni, gerade von einer Grippe genesen, Dworschak, der einräumte: "Wir haben zwei Gesichter", und Würll, der Torschütze vom Dienst. "Wir brauchen den Druck des Gewinnenmüssens", so die Selbsteinschätzung. Auf dem Bieberer Berg macht ihnen ein forderndes Publikum Beine. In der Fremde dagegen wirkt es vergleichsweise , als liefen sie aus. Daheim rechnete Berndroth vor "gewinnen wir neunzig Prozent der Zweikämpfe, auswärts ist es umgekehrt. Aber er zeigt hundertprozentiges Verständnis, wenn er stets aufs Neue wiederholt: "Ich habe mit dem Einbruch gerechnet. uns fehlen die Mittel. Wir sind nicht in der Lage, uns zu behaupten. " Die Dinge, die ich sehen will, sehe ich auch nicht im Training." Das ist mehr als nur eine Spur zu kleinlaut. Vergangene Woche in Wehen, war eine couragierte Mannschaft zu beobachten, als sie Berndroth in immer neuen Varianten skizziert. Sie kann, wenn sie sich traut und wenn sie will. Am Samstag entwickelte der Übungsleiter die Theorie, wonach jetzt lauter "Revanchespiele" auf die Kickers zukämen. Gegen Teams, die in der Hinrunde verloren hätten, das macht alles noch schwieriger. Im Sinne der Mannschaft muß Berndroth fortan reden wie mit jedem Fan, der sich ungeachtet der Niederlage solidarisch erklärte und hartnäckig um Siege bat, egal wo. "Gut, wir holen den Pokal und Meister werden wir auch", sagte Berndroth, um den Abschied zu forcieren. Das ist endlich mal ein Wort.
(Von Hans Joachim Leyenberg, FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG)
Vorbericht OFC
Aufstellung: Thier - Binz - Zitouni, Meyer - Becht, Dworschak, Speth, Barletta, Langen - Tonello, Würll
Reserve: Keffel (Tor), Naciri, Fossi, Corrochano, Schindler, Alderigi, Kagiouzis, Schulz, Brighache, Sarfo
Es fehlen: Becker, Mager, Saridogan, Speth (alle mit Knieverletzungen), Incesu (Leistenprobleme)
Zum Spiel: Die Einsätze von Dworschak (Schulterprobleme) und Becht (Achillessehnen-Beschwerden) sind noch fraglich.
(KICKER-ONLINE)
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