Nach 90 Minuten und ein paar Zerquetschten ist am Samstagnachmittag urplötzlich alles so gewesen, wie es vor kurzem noch stetig war. Da haben ein Dutzend Jungmänner ihre Münder in Verzückung weit aufgerissen und gebrüllt. So laut es ging, so schrill es ging. Dann haben sie sich umarmt und gedrückt und geherzt, einen Kreis gebildet, sie hüpften, was albern aussieht, auf der Stelle, tanzten, rechts herum und links herum. Wie kleine Kinder. Ein paar Meter weiter schlichen Fußballspieler hängenden Hauptes vom zuvor umgepflügten Platz, winkten noch mal kurz hinauf zu den Beinharten auf der Waldemar-Klein-Tribüne und entschwanden dann in den Katakomben. Nichts wie weg. 2:1 (0:0), dies die Fakten, haben die Amateure des 1. FC Kaiserslautern auf dem Bieberer Berg in Offenbach gewonnen. In der Spielzeit 2000 / 2001 wäre das nichts Bemerkenswertes gewesen, in der Runde 2001 / 2002 ist es das schon.
Schließlich sind die Kickers an Niederlagen nicht mehr gewöhnt, schon gar nicht zu Hause, wo sie den Gegner zuletzt dreimal hintereinander mit leeren Händen auf die Heimreise geschickt hatten.
Doch im Lager des OFC haben sie die zweite Pleite binnen einer Woche mit bemerkenswerter Nonchalance zur Kenntnis genommen. 1:4 bei den Bayern. 1:2 gegen Lautern. Einbruch? Krise? Ach was. "Wir haben immer gesagt, dass wir nicht um den Aufstieg spielen", sagte Verteidiger Lars Meyer. Rückendeckung erhält er von Vizepräsident Thomas Kalt, der "Rückschläge einkalkuliert" hat. Und Trainer Ramon Berndroth, der nüchterne Analyst, wollte sich "nicht als Prophet outen", befand aber: "Auf so ein Spiel habe ich schon länger gewartet." Auf eine Partie also, in der der OFC 82 Minuten lang eine durch und durch matte Leistung ablieferte, auf ganzer Linie enttäuschte. Merkwürdig lethargisch spielten die Offenbacher ihren Stiefel runter, sie wirkten wie paralysiert. Keine Aggressivität, von spielerischer Eleganz - die ohnehin niemand erwartet - mal ganz zu schweigen. Da konnten die leichtfüßigen Nachwuchsspieler aus der Pfalz, die irgendwann mal Profis beim FCK (oder sonstwo) werden wollen, mühelos durch die Abwehr spazieren, die diesen Namen an diesem Nachmittag nicht wirklich verdiente. Die Tore durch Michael Mifsud (52.) und Danko Boskovic (76.) waren im Grunde nur die logische Konsequenz.
Die Heimspiele zuvor, führte Berndroth hinterher aus, seien von der Qualität her nicht unbedingt besser gewesen, es hätte indessen einen gravierenden Unterschied gegeben: "Uns ist kein früher Führungstreffer gelungen." Und wenn der Kontrahent die Anfangsoffensive des OFC überstehe, "dann wird es für uns ganz schwer, weil wir nicht die Qualität, die Mittel haben, um den Gegner auszuspielen". Mittelfeldspieler Thorsten Becht sah es ähnlich: "Wenn wir das 1:0 machen, kommt das Gerede vom Knacks erst gar nicht auf."
Zudem sei die mentale Verfassung seiner Recken nicht die beste gewesen. "Der Schock von München saß tiefer, als ich dachte", sagte der Trainer, und da das Spiel der Kickers in Ermangelung an spielerischem Potenzial "mit dem Selbstvertrauen steht und fällt", sei eine Pleite wie die am Samstag plausibel zu begründen, "wenn die Jungs verunsichert sind, geht das ganz schnell". Hoffnung schöpft der Fußballlehrer aus der Schlussphase, als sein Team nach dem 1:2 durch Kapitän Manfred Binz (82.) auf einmal aus dem kollektiven Tiefschlaf erwachte, angepeitscht vom Publikum das Tor des FCK wütend berannte. "Da hat die Mannschaft Ehrgeiz und Willen gezeigt, das Spiel zu drehen." Das hätte auch beinahe geklappt, weil die Kickers, wie Verteidiger Lars Meyer bedeutete, "in den letzten zehn Minuten so viele Chancen wie in keinem anderen Spiel hatten". Doch eben nur beinahe. Denn weder Patrick Würll (84.), Meyer selbst (89.) noch Raffael Tonello (90.) brachten den Ball im Tor unter und konnten nicht verhindern, dass die Mannschaft, wie Manager Lars Schmidt formulierte, "mit einem schlechten Gefühl" in die Woche startet: "Fürs Selbstwertgefühl und die Psyche sind solche zwei Niederlage nicht gut."
Derweil hat Trainer Berndroth ein bescheidenes Ziel ausgegeben. Den 22 aufs Punktekonto geladenen Zählern sollen in den nächsten vier Spielen, bis zur Beendigung der Vorrunde also, noch drei weitere folgen, damit wäre "die Sensationszahl 25 erreicht". Und Lars Meyer spricht vorsorglich schon mal Worte der Warnung, indem er an den phänomenalen Saisonstart der Sportvereinigung Elversberg im zurückliegenden Jahr erinnert. Am Ende retteten sich die Saarländer am letzten Spieltag vor dem Abstieg...