Mit starrem Blick verfolgte so manch Darmstädter Zuschauer das Geschehen nach dem Abpfiff. Während die zahlreichen Offenbacher Fans ihre Kickers feierten, fiel es den Fans des SV 98 schwer, das 0:2 (0:1) im Hessenderby der Fußball-Regionalliga Süd zu verdauen.
11 500 Zuschauer am Böllenfalltor hatten zuvor ein mäßiges Spiel gesehen, das die Offenbacher Kickers gewannen, weil sie ihre stürmerlose Abriegelung des eigenen Tores durch intensivste Laufarbeit und Zweikampfstärke nahezu perfekt beherrschten.
Aus Darmstädter Sicht auf einen Nenner gebracht: Das Derby ging deshalb verloren, weil der SV 98 nicht in der Lage war, diese massive Abwehr spielerisch aufzuweichen.
Hinzu kam das frühe 0:1 in der achten Minute durch ein unglückliches Eigentor des ansonsten guten Richard Hasa, weil zuvor Matthias Hohmann das Laufduell gegen Samir Naciri (Foto rechts; vor ihm Daniel Leifermann) deutlich verlor und dessen Flanke nicht unterbinden konnte.
Hinzu kam auch die rote Karte für Torhüter Andreas Clauss in der 70. Minute. Kurt Ertl an der Seitenlinie hatte den Darmstädter Keeper beim Abwehrversuch eines Hebers von Patrick Würll außerhalb des Strafraums gesehen.
Clauss indes schwört: "Ich stand zwar draußen, aber meine Hände waren innerhalb des Strafraums." Die bislang gezeigten Fernsehbilder lieferten keinen klaren Beweis, weder für noch gegen Clauss.
Das 0:2 von Tobias Schindler (69.) nach Eckstoß Naciri durfte sich die Darmstädter Abwehr zuschreiben, speziell Andreas Rüppel, der den Ball verfehlte und Schindlers Scherenschlag-Tor ermöglichte.
Offenbachs seit Saisonbeginn in Heim- und Auswärtsspielen bewährte Kontertaktik (kompakte Defensive, Warten auf Abspielfehler des Gegners) zu kritisieren, wäre angesichts des Resultats billig. Erfolg heiligt offenbar fast alle Mittel.
OFC-Trainer Ramon Berndroth hatte zwar vor der Begegnung anders argumentiert ("Man muss die Mannschaft anhalten zu agieren. Nur dann entwickelt sie sich weiter"), aber wenn es darum geht, zu punkten, sind Vorsätze doch nur Makulatur.
Die Defensivausrichtung stellte die Darmstädter - wie schon beim 0:0 gegen den SV Ansbach - vor arge Probleme. Zumal sich die Spieler des SV 98 mit der Präzision im Pass-Spiel, mit Kombinationen, schwer taten - eigentlich mit allem.
Bis auf einen Lattentreffer von Hohmann (14.), einen 16-m-Schuss von Roland Nagy (40.) nach der einzigen sehenswerten Kombination und einen knapp verzogenen Schuss von Zivojin Juskic aus 14 Metern (55.) sprang gar nichts heraus, "alles verpuffte wirkungslos", wie Trainer Michael Feichtenbeiner bekannte.
Ebensowenig seine Maßnahme, mit Beginn der zweiten 45 Minuten zwei Stürmer einzuwechseln. Weder Rüppel noch David Wagner (der nach dem Platzverweis von Clauss das Tor hüten musste, weil der SV 98 schon dreimal gewechselt hatte) konnten sich positiv in Szene setzen und den Nachweis erbringen, an diesem Tag stärker zu sein als die ausgewechselten Audenzio Musci und Christian Simon.
Vielleicht war es ein Fehler, Simon aus dem Spiel zu nehmen, der gegen Ende der ersten Halbzeit stärker wurde und direkten Zug zum gegnerischen Tor verriet.
Vielleicht wäre es angesichts Offenbacher Tatenlosigkeit in vorderster Linie sinnvoller gewesen, den Vierer-Abwehrverbund aufzulösen. Denn gerade auf der linken Seite zählten Nagy und Elton da Costa an diesem Tag zu den schwächsten Darmstädtern.
"Wir müssen jetzt halt wieder aufstehen", fordert Feichtenbeiner von sich und seiner Mannschaft, die zuvor zweimal in Folge gewonnen und sich mit einem Sieg gegen Offenbach einen Schub bis zum Jahresende erhofft hatte.
Was heißt: erneut versuchen, endlich jene konstanten Leistungen - kämpferisch und spielerisch - einzubringen. Offensichtlich nicht eine Frage des Könnens, sondern des davon Überzeugtseins. Diese oft beschworene "mentale Stärke" geht den Darmstädtern derzeit besonders ab.
SV Darmstadt 98: Clauss - Leifermann, Hasa, Hohmann (66. Brancourt), Nagy - Simon (46. Rüppel), Juskic, Kolb, da Costa - Maier, Musci (46. Wagner).
Kickers Offenbach: Thier - Binz - Zitouni, Meyer - Becht, Barletta, Dworschak, Naciri (81. Langen), Schindler (88. Tonello), Würll (90. Fossi), Corrochano.
Schiedsrichter: Wolfgang Stark (Ergolding).
Tore: 0:1 Hasa (8., Eigentor), 0:2 Schindler (69.).
Rote Karte: Clauss wegen absichtlichem Handspiel (70.).
Zuschauer: 11 500.
Einen weiteren Text - über das Spiel aus Sicht der Trainerbänke - gibt es in der Montagausgabe des "Darmstädter Echo".