Offenbach - Flausen! Das Wort spricht Ramon Berndroth fast wie ein Fluch aus. Zu viele gibt es in seiner Mannschaft, die noch Flausen im Kopf haben. Flausen! Ein anderes Wort für törichten Einfall. Und wer will den schon?
Flausen eben, die Spieler aus anderen Vereinen mitgebracht haben, die der Trainer der Kickers aber in Offenbach nicht sehen will. Denn Flausen sind überflüssig, nicht förderlich bei dem Bestreben, die Kompaktheit der vergangenen Saison wiederzuerlangen. Aber eben daran fehlt es bei Kickers Offenbach derzeit. Beim 1:1 gegen Darmstadt 98 standen drei Akteure in der Anfangsformation, die die flausenlose Zeit nicht miterlebten: Bachir Kaba (kam aus Köln), Alexander Lorenz (aus Darmstadt), Patrick Falk (aus Oberhausen). Sicher, der OFC habe mehr "Schwungräder", übersieht Berndroth die positive Seite nicht. Aber eben auch mehr - da ist das Wort wieder - Flausen!
Fünf Punkte in dieser Regionalliga-Saison - kein Grund für Unzufriedenheit, aber Anlass für Kritik. Erstmals versuchten es die Kickers im Derby gegen Darmstadt mit dem Angriffsduo Nazir Saridogan/Samir Naciri. Dahinter spielte Patrick Falk, Ideengeber, aber eben auch nicht ganz frei von - Flausen! Fazit: Die Räume in der Offensive waren schlecht aufgeteilt, die Stürmer hatten Mühe, sich nicht gegenseitig auf die Füße zu treten. Berndroth: "Es ging kreuz und quer."
Die Lilien blühten auf, dank der Offenbacher Flausen und Fehler. Fast bewundernd schaute die Abwehr zu, als Lorenz zu weit aufgerückt war, Christian Simon auf Sascha Maier passte, der den Ball nach innen brachte, und Carsten Lakies einköpfte drittes Tor im vierten Spiel. Nicht überraschend, dass Berndroth vor ihm besonders gewarnt hatte...
So viele Torchancen wie am Samstag hatten die Kickers noch nie gegen Darmstadt, seitdem Berndroth beim OFC auf der Bank sitzt; aber erstmals seitdem gewann der OFC nicht. Viel Anstrengung, aber lange kam nichts dabei heraus - außer einem merkbaren Kräfteverschleiß und der Bernd-roth'schen Kritik: "Wenn die Abwehr müde ist, muss der Angriff vorne die Räume enger machen."
Müde wirkte die Defensive, weil bei Ecken und Freistößen Libero Dario Fossi und Manndecker Mounir Zitouni nach vorne mussten - schließlich gehörten sie schon wegen ihrer Körpergröße zu den wenigen kopfballstarken Spielern in der Anfangsformation. Doch der Weg zurück zum eigenen Strafraum ist lang; und er wird immer länger, je weniger Erfolg die Aktionen bringen. Die langen (Stürmer) Michael Petry ("Fehlt noch Fitness"/verpasste in der Vorbereitung zwölf Einheiten wegen Krankheit und Umzug) und Christian Knappmann ("Fehlt noch Cleverness"/kam aus der Oberliga) saßen draußen.
Offenbach wollte ein frühes Tor, machte Tempo. Darmstadt nahm es heraus, ein Unentschieden genügte. Kickers-Torwart Cesar Thier hatte wenig zu tun - in der 7. Minute verschätzte er sich beim Herauslaufen, Kaba klärte vor Lakies; in der 26. hielt Thier gegen Lakies. Das war's bis zum 0:1, und danach kam nur noch der Schuss von Maier, der den Ball zuvor mit der Hand gespielt hatte (90.).
Anders die Torschussbilanz bei Offenbach: Saridogan (15.), angedreht, Darmstadts Torwart Andreas Clauß passte auf; dritte Ecke OFC, Saridogan schoss drüber (20.); Freistoß Falk, Fossi kam angeflogen, vorbei (33.) - in Augsburg war der Ball drin; 50. Minute, die Großchance für Offenbach - Pass von Lorenz, Falk nahm den Ball elegant mit, Clauß ausgespielt, doch zwei Zentimeter fehlten zum Glück - Pfosten; fünf Minuten später hielt Clauß den Kopfball von Zitouni und seine Serie; die 327 Minuten dauernde Zeit ohne Gegentor endete in der 78. der Partie am Bieberer Berg. Matthias Dworschak wurde als Torschütze gefeiert, doch Sebastian Haag hatte den Ball abgelenkt und Clauß in die falsche Ecke geschickt - 1:1. Jubel bei Offenbach - und, wenn auch leicht verhaltener, bei Oscar Corrochano. Das Herz des Mannes schlägt für Kickers, wenn er auch früher in Darmstadt spielte, beim OFC nun aber nur auf der Bank sitzt und gegen seinen Ex-Klub eingewechselt werden sollte, weil Berndroth den Libero auflösen wollte. Corrochano sollte vor der Abwehr Druck machen - dann fiel das 1:1. Mit der Rolle als Ersatzspieler kann er sich nicht anfreunden - zumal Corrochano, wenn er spielte, in Derbys stets Siege feierte: Einmal mit Darmstadt und zweimal mit Offenbach. Nur am Samstag, da zeigte er ein Gemisch aus Frust und Freude.