Am gestrigen Sonntagnachmittag hat sich Ramon Berndroth nach Kaiserslautern aufgemacht, um sich ein Spiel anzuschauen. Die Amateure des 1. FC Kaiserslautern hatten Borussia Neunkirchen zu Gast, und der Aufsteiger aus dem Saarland ist der nächste Gegner, bei dem der Trainer von Kickers Offenbach mit seiner Mannschaft zu einem Auswärtsspiel antreten muss.
Berndroth wird die etwa 130 Kilometer von seinem Wohnort Neu-Isenburg in die Pfalz wohl in aller Seelenruhe angegangen sein. Denn in der Fremde ist der OFC in dieser Saison eine durchaus verlässliche Größe. Das weiß Berndroth, und das 1:1 (0:0) seines Teams im Hessenderby tags zuvor beim SV Wehen hatte den 50 Jahre alten Fußball-Lehrer in seinem Wissen bestätigt. Berndroth ist höchst zufrieden mit dem Ausgang der vergangenen drei Kickers-Spiele in Kaiserslautern, gegen die Bayern-Amateure und eben auf dem Halberg und macht große Worte. "Im Stile einer Spitzenmannschaft machen wir unsere Punkte", sagte er, "zuhause gewinnen und auswärts unentschieden spielen", so machen es Topteams.
Eine Einschränkung musste Berndroth dann doch nachschieben: "Wenn das eine Konstante wäre", dann, ja dann wäre der OFC auch eine Spitzenmannschaft. Doch da liegt das Problem. Nicht nur, dass die Kickers im bisherigen Saisonverlauf auswärts zwar konstant punkten, aber dafür zuhause erst einmal gewonnen haben. Seine junge Mannschaft, so der Kickers-Trainer, sei mittlerweile zwar in der Lage, einen Gegner "im Griff zu haben". Noch fehle es aber an der Fähigkeit, die Spielkontrolle über 90 Minuten durchzuhalten und daraus auch den entsprechenden Ertrag, sprich einen Sieg, zu ziehen.
In Wehen wurde dies erneut deutlich. Etwa eine Stunde lang gab der OFC auf dem Halberg den Ton an und ging, obgleich die Offenbacher bis dahin vor dem Wehener Tor nicht wirklich zwingend wirkten, nach 56 Minuten folgerichtig in Führung, als Kapitän Matthias Dworschak nach einer schnellen Direktkombination über Samir Naciri und Patrick Falk von der Strafraumgrenze mit einem Flachschuss in die linke untere Ecke erfolgreich war. Doch mit dem Führungstreffer war es um die Dominanz der Offenbacher geschehen, weil sein Team vielleicht "ein wenig übermütig" geworden sei, so Berndroth später, oder einfach nur ein wenig innere Spannung verloren habe, "weil wir viel Aufwand betreiben mussten, um in Führung zu gehen".
Wehen erwachte jedenfalls aus seiner Lethargie, auch, "weil wir nach dem 0:1 nichts mehr zu verlieren hatten", wie Trainer Gerd Schwickert nach dem Spiel sagte, während der OFC laut Berndroth "ein wenig die Ordnung" verlor. Die Folge war der Ausgleich durch Antonio Da Silva, der nach einem präzisen Pass des ansonsten blassen Saber Ben Neticha aus 18 Metern mit einem platzierten Schuss traf (61.). Eingeleitet hatte den Treffer ein Ballverlust von Dworschak, der mit seinem Agieren in jener Situation verständlicherweise "nicht zufrieden war". Aber, so der OFC-Kapitän, "Fehler gehören eben dazu".
Das weiß auch Berndroth. Und deswegen hat ihm das Spiel seiner Mannschaft in Wehen zwar "imponiert", aber der Kickers-Trainer ist sich im Klaren darüber, "dass wir noch lernen müssen". Beispielsweise, eine Führung über die Zeit zu bringen und sich nicht, wie in Wehen passiert, noch einmal in Bedrängnis bringen zu lassen. Denn nach dem Ausgleichstor schoss Sead Mehic allein vor OFC-Schlussmann Cesar Thier vorbei (68.), und Oscar Corrochano musste nach einem Schuss von Stefan Simon für Thier auf der Linie klären (73.). Pellegrino Matarazzo wiederum brachte das Kunststück fertig, aus wenigen Metern den Ball über das verwaiste Offenbacher Tor zu schießen (81.).
Kurzum, ein Sieg der Wehener war durchaus möglich. Für den OFC wäre eine Niederlage indes unglücklich gewesen, aber das Remis im Hessenderby hat den Spielern von Trainer Berndroth gezeigt, dass die fußballerische Entwicklung zwar fortschreitet, aber wohl noch lange nicht abgeschlossen ist.