DFB-Pokal 1.Runde 2002/2003

Kickers Offenbach - Eintracht Frankfurt
Endergebnis: 4:5 n.E. (1:1 / 1:1)


Spielbericht vom 01.09.2003 - Anstoß: 17:30 Uhr
Jones-Jubel in falsche Richtung

Er war der Held des Derbys, obwohl er nun wirklich nicht gut gespielt hatte. Ausgerechnet Jermaine Jones blieb es vorbehalten, mit dem letzten Schuss das erste Aufeinandertreffen zwischen Kickers Offenbach und Eintracht Frankfurt nach 19 Jahren zu entscheiden. Ausgerechnet Jones, der nicht einmal von Beginn an im Team gestanden hatte und nach seiner Einwechslung für den schwachen Markus Beierle kein bisschen besser als sein Vorgänger gespielt hatte.

Doch Jones nutzte seine Elfmeterchance, hörte sozusagen aufs Wort. "Ich habe ihm gesagt, du schießt den fünften Elfmeter und wirst der Held", gab Trainer Willi Reimann später zum besten. Ob er es sich tatsächlich genauso ausgemalt hatte?

Jedenfalls trat Jones zum letzten, alles entscheidenden Elfmeter an. Er schoss nicht platziert, aber hart. Cesar Thier kam heran, konnte den Ball aber nicht am Weg ins Tor hindern. Das 5:4 für die Eintracht, das Aus für die Kickers. Jones war der Held und flippte aus. Er rannte vor die Kickers-Fan-Blöcke und schrie seinen Jubel hinaus.

Eine grenzenlose Dummheit, die die natürlich enttäuschten Offenbacher Anhänger auf die Palme brachten. Auf einmal flogen Bierbecher, Münzen und was sonst noch locker in den Taschen gesessen hatte. Jones brach seinen Spurt ab, drehte um und rannte in die Kabine. Nochmal gut gegangen.

OFC-Vize Thomas Kalt war nachher nachvollziehbar sauer auf den Frankfurter. Und dies nicht, weil der das Tor erzielt hatte. "Aber seine Reaktion hat gezeigt, dass er nichts begriffen hat", sagte Kalt. Beide Mannschaften, alle Spieler waren vorher angehalten worden, die gegnerischen Fans nicht zu provozieren. Die Trainer, der Schiedsrichter, sogar die Polizei hatten darauf hingewiesen. Jones hatte es entweder nicht mitbekommen, oder er hatte es tatsächlich nicht verstanden. Seiner Freude konnte der dumme Ausraster später keinen Abbruch tun: "Ich bin unglaublich glücklich."

(Von ?, OFFENBACH-POST)  

 

Falk: "Gigantisch, hier zu spielen"
Elfmeter vergeben / "Schieße wieder"

Welch zwei Wochen für Patrick Falk! Bewerbungstour durch Europa mit Stationen Derby County und Atletico Madrid II. Dazwischen kaum 24 Stunden daheim. Vertragsgespräche mit den Spaniern, Vorvertrag unterschrieben, Wechsel sofort (eine Frage der Ablöse) oder spätestens nach Vertragsende beim OFC 2004. Dann die Trainerentlassung von Ramon Berndroth, der nicht mehr auf den Spielmacher baute. Also alles anders für Patrick Falk beim OFC? Berndroth-Nachfolger Lars Schmidt sendete ihm das entscheidende Signal: Du spielst im Derby gegen die Eintracht! Falks Ex-Klub. Wenn schon keine schlaflosen Nächte, dann bereitete ihm der Einsatz unruhige Träume. Daran, das entscheidende Tor gegen seinen Ex-Verein zu schießen, dachte der Spielmacher des Nächtens. Es kam anders. Falk schob den ersten Elfmeter in die Arme Oka Nikolovs und benötigte keine TV-Bilder, um zu erkennen: "Der war einfach schlecht geschossen." Schießt er wieder? "Klar, den nächsten, den wir bekommen." Falk war "besonders heiß" auf die Partie, "weil viele sagn, der Falk kann nicht kicken". Kann er wohl, muss er in Offenbach aber öfter zeigen. Die Gelegenheit wird er bekommen und den Abend gestern ewig in Erinnerung behalten. "Es war gigantisch, hier zu spielen. Die Mannschaft hat überragend gekämpft. Die Fans haben die Kickers der besten Tage geweckt."

(Von ?, OFFENBACH-POST)  

 

19 Jahre - und das Warten dauert an: Thier schießt in Biebers Abendhimmel
20500 Fans am Berg sehen kein gutes, aber ein spannendes Pokalderby mit einem glücklichen Sieger Eintracht Frankfurt

19 Jahre Warten - und immer noch kein Ende.

19 Jahre Hoffnung, die Schmach der Unterlegenheit gegenüber dem klassenhöheren Nachbarn tilgen zu können - vorbei.

19 Jahre der Wunsch nach Wiedergutmachung - wie war das noch damals? Offenbach verlor in Frankfurt 0:3, stieg am Ende ab. Die Eintracht blieb drin. Wurde die Eintracht nicht schon immer bevorzugt, 1963 bei der Gründung der Bundesliga. Frankfurt drin, Offenbach draußen.

Alles tilgen an einem Tag? Das geht nicht, auch wenn man sich noch so viel vornimmt. Zu viel sammelte sich da an. Seit 1959, der Niederlage im Endspiel um die deutsche Meisterschaft; seit 1963, seit 1984, seit den Zeiten in der Oberliga, während die Eintracht erstklassig blieb.

19 Jahre in Offenbach der größte Wunsch: Derby. Revanche. Und dann entscheidet ein Elfmeterschießen, der erste Schuss von Jermaine Jones in Richtung Offenbach-Tor. 5:4 gewinnt die Frankfurter Eintracht am Bieberer Berg in einem Spiel, über das auch in 19 Jahren noch gesprochen werden wird. Nicht weil es so gut war, sondern eben ein Derby.

Es wird in die Geschichte eingehen. Nicht in die der Frankfurter Eintracht, für die bleiben die Fakten: Vormachtstellung gefestigt, 100 000 zusätzliche Euro für den Einzug in die zweite Runde des DFB-Pokal sicher.

Für Offenbach bleibt die Gewissheit: Es war kein Fußballfest, aber es war Fußball, wie ihn der Bieberer Berg will. Filigrane Feinkost erwartet keiner, Kampf ist gewünscht. Davon gab es reichlich.

Ewig wird auf der Offenbacher Seite des Mains eine Zweiklassengesellschaft beklagt: Hier die honorigen Frankfurter, hofiert vom Deutschen Fußball-Bund, bedacht durch halbstaatliche Unternehmen, keine Lizenz, aber gerettet durch Gerichtsurteile. Da Offenbach. Nichtberücksichtigung bei der Bundesligagründung, Zwangsabstieg, Lizenzentzug. Alle gegen einen? Legendenbildung?

Nichts vergessen gestern Abend, und schon gar nichts vergeben. Es ist mehr als Abneigung, die zu spüren ist beim Mainderby, über das Experten streiten, das wie vielte es sein mag. Bei 143 ist eine Zählung angekommen. Wie viele Siege OFC, wie viele für die Eintracht. Zahl der Unentschieden? Statistiken täuschen, sicher ist nur: Auch nach dem 4:5 nach Elfmeterschießen liegt der OFC in der Zahl der Siege vorn. Ein schwacher Trost für die Offenbacher Fußball-Seele.

Was bleibt ist die Erinnerung: Daran, dass der Drittligist mit dem Bundesligisten mehr als nur mithielt; dass ein Zweiklassenunterschied nicht zu erkennen war; dass die Eintracht in dieser Verfassung bald verwirklichen könnte, wovon die Kickers-Fans träumen: "Eintracht, zweite Liga, wie schön, euch wieder zu sehn." Dass der OFC dafür noch aufsteigen muss - na gut, das wird eben mal vernachlässigt in einem Derby, das als eines der längsten in die Historie eingeht. 120 Minuten plus Elfmeterschießen. Und keine Minute möchte man missen. 20 500 Fans am Bieberer Berg. Der kocht nicht, er brodelt - nicht nur am Ende des Spiels. Die Stimmung? Nicht zu beschreiben.

Die erste Runde im Wettstreit "Wer singt lauter?" geht an die Eintracht-Anhänger. Sportlich setzen die Frankfurter gleich ein Zeichen. Andree Wiedener zieht ab, Cesar Thier rettet per Fußabwehr (9.). Dann der Schock für die Kickers: Bruno Akrapovic muss nach 14 Minuten raus, schon nach 120 Sekunden erwischt ihn Alexander Schur an der Wade. Es geht nicht mehr. OFC-Trainer Lars Schmidt bringt Fouad Brighache. Wie reagiert Offenbach auf die Verletzung des Leistungsträgers? Mit dem 1:0! Freistoß Patrick Falk, Gustav Policella verlängert mit dem Hinterkopf, Michael Petry staubt ab, nachdem Torwart Oka Nikolov nur abklatscht (21.). Offenbach liegt gegen die Eintracht vorn! Nach 19 Jahren! Und hätte noch höher führen können. Flanke Thorsten Judt, Policella, vorbei.

Es ist kein Spiel mit vielen hochkarätigen Chancen, aber die größte in den ersten 45 Minuten hat die Eintracht. Brighache rennt beim Abwehrversuch Christoph Preuß um, den fälligen Freistoß zirkelt Ervin Skela aufs Tor, die Glatze von Matthias Dworschak rettet die Halbzeitführung. 15 000 Fans feiern die Kickers, Ruhe bei den 5000 Frankfurtern.

In der zweiten Halbzeit wird der Arbeitsplatz von Cesar Thier angenehmer. Jetzt spielt er mit dem Rücken zur Oriontribüne. Die hat zehn Minuten nach Wiederbeginn den besten Blick auf die Szene, die zum 1:1 führt. Eckball Skela, Nico Frommer drückt ein, Thier versucht mit der Hand zu retten, Dworschak haut den Ball raus, Schiedsrichter Herbert Fandel entscheidet: Tor für Frankfurt.

Offenbachs Antwort? Ein Gewaltschuss von Angelo Barletta (57.). Eintracht hat mehr vom Spiel, Offenbach zieht sich zurück, die Folge: Chancen durch Cha und Frommer. Verlängerung? Nicht, wenn Petry Sekunden vor dem Schlusspfiff an der Flanke von Thorsten Judt nicht vorbeirutscht. So gibt's Elfmeterschießen, Nikolovs Parade gegen Falks Elfmeter, Thiers Schuss in Biebers Nachthimmel, Jones' Treffer. Das Warten dauert an.

(Von ?, OFFENBACH-POST)  

 

Die Kickers sind mit sich zufrieden
Streicheleinheiten von Waldemar Klein

Als das 143. Derby seit längerem schon Geschichte war, ergriff auch Waldemar Klein, die graue Eminenz der Kickers, nach dem als Anerkennung für seine Verdienste schon zu Lebzeiten eine Tribüne am Bieberer Berg benannt ist, noch einmal das Mikrofon. Der Ehrenpräsident der Offenbacher, mittlerweile 83 Jahre alt, und in den wenigen Jahren des Höhenflugs und den vielen des Abstiegs immer an vordester Front für seinen Herzensklub im Einsatz, sah sich bemüßigt, in dem ihm eigenen pastoralen Ton dem neuen Trainer Lars Schmidt für dessen Arbeit in seiner ersten Woche zu danken - die nur aufgrund einer ungünstigen Schicksalsfügung, wie der OFC schon viele erlebt habe, nicht von einem grandiosen Triumph über die Frankfurter Eintracht gekrönt worden sei. Der "junge Freund", wie Klein beinahe jeden nennt, der noch nicht ganz sein Alter erreicht hat, habe doch "einen ganz tollen Einsatz geleistet", verkündete Klein: "Hut ab, wie die Mannschaft sich heute unter seiner Regie verkauft hat." Einzig aufgrund des Pechs im Glücksspiel Elfmeterschießen sei der OFC vom "Erfolgsweg abgekommen", lauteten die verbalen Streicheleinheiten, die Schmidt, an einem Käsebrötchen kauend, im hinteren Winkel der OFC-Gaststätte mitbekam - und an die er in den kommenden Wochen bei Gelegenheit bestimmt noch einmal erinnern wird.

Denn: Nach dem starken Auftritt im Pokalknüller und seinem vielversprechenden Debüt als Nachfolger des entlassenen Ramon Berndroth steht der Siebenunddreißigjährige schneller, als ihm lieb sein dürfte, vor der schweren Aufgabe, das Team auf den Alltag in der Regionalliga Süd einzustimmen. An diesem Samstag müssen sich die Kickers, die auf den achten Rang abgerutscht sind, beim 1. FC Schweinfurt beweisen, wo es zum Wiedersehen mit dem früheren Trainer Hans-Jürgen Boysen kommt. "Wir haben gezeigt, daß wir gut Fußball spielen können. Daran müssen sich meine Spieler auch künftig messen lassen", sagte der ehemalige Profi, der mit seinem Team den Aufstieg in die Zweite Bundesliga ungeachtet der jüngsten Rückschläge gegen Mainz, Erfurt und Wehen anstrebt. Daß ausgerechnet der ehemalige Frankfurter Patrick Falk der Antreiber seiner Elf gegen Frankfurt war, obwohl der Dreiundzwanzigjährige eigentlich längst mit dem Kapitel Kickers abgeschlossen hatte, war für Schmidt eine Selbstverständlichkeit. "Wenn man Patrick Falk hundertprozentige Rückendeckung gibt, dankt er es einem mit solchen Leistungen." Schmidt zeigte sich zuversichtlich, daß er mit einer "Mischung aus Zuckerbrot und Peitsche" Falk noch länger zu Höchstleistungen antreiben kann. "Wir wollen, daß er längerfristig in Offenbach bleibt" - und nicht, wie zuletzt von seinem Berater angekündigt, im kommenden Sommer zur Reserve von Atletico Madrid nach Spanien wechseln wird.

Für Dieter Müller, den Präsidenten der Kickers, und seinen Stellvertreter Thomas Kalt hatte das Scheitern seiner Mannschaft beinahe tragische Züge: "Wer sich die Offenbacher Fußballgeschichte vergegenwärtigt, wird feststellen: Der letzte Schuß geht bei uns immer daneben", sagten beide unisono und trauerten im gleichen Atemzug den verpaßten Einnahmen aus der nächsten Pokalrunde hinterher. "Das hätte uns bis zu einer viertel Million Euro bringen können", beklagte Kalt, der behauptete, gewußt zu haben, "daß wir hier heute nicht gewinnen: Wenn es drauf ankommt, haben wir eben das Pech gepachtet."

(Von Marc Heinrich, FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG)  

 

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(Von Marc Heinrich, FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG)  


Mannschaftsaufstellungen:

Kickers OffenbachEintracht Frankfurt
- Nikolov - Bindewald, Tsoumou-Madza, Cipi, Wiedener - Preuß, Schur, Skela, Günther (29. Frommer) - Cha (110. Kreuz), Beierle (66. Jones).

Spielstatistik:

SchiedsrichterToreGelbe KartenGelb-Rote KartenRote KartenZuschauer
Fandel (Kyllburg) 1:0 Petry (22.),
1:1 Frommer (55.),
Nikolov hält gegen Falk,
0:1 Skela,
1:1 Judt,
Thier hält gegen Cipi,
2:1 Barletta,
2:2 Kreuz,
3:2 Knappmann,
3:3 Preuß,
Thier schießt über das Tor,
3:4 Jones
- (OFC) / Günther, Schur, Cipi, Jones (SGE) --20.500 (ausverkauft)
Alle Angaben ohne Gewähr


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Seite wurde am 05.09.2003 aktualisiert