19 Jahre Warten - und immer noch kein Ende.
19 Jahre Hoffnung, die Schmach der Unterlegenheit gegenüber dem klassenhöheren Nachbarn tilgen zu können - vorbei.
19 Jahre der Wunsch nach Wiedergutmachung - wie war das noch damals? Offenbach verlor in Frankfurt 0:3, stieg am Ende ab. Die Eintracht blieb drin. Wurde die Eintracht nicht schon immer bevorzugt, 1963 bei der Gründung der Bundesliga. Frankfurt drin, Offenbach draußen.
Alles tilgen an einem Tag? Das geht nicht, auch wenn man sich noch so viel vornimmt. Zu viel sammelte sich da an. Seit 1959, der Niederlage im Endspiel um die deutsche Meisterschaft; seit 1963, seit 1984, seit den Zeiten in der Oberliga, während die Eintracht erstklassig blieb.
19 Jahre in Offenbach der größte Wunsch: Derby. Revanche. Und dann entscheidet ein Elfmeterschießen, der erste Schuss von Jermaine Jones in Richtung Offenbach-Tor. 5:4 gewinnt die Frankfurter Eintracht am Bieberer Berg in einem Spiel, über das auch in 19 Jahren noch gesprochen werden wird. Nicht weil es so gut war, sondern eben ein Derby.
Es wird in die Geschichte eingehen. Nicht in die der Frankfurter Eintracht, für die bleiben die Fakten: Vormachtstellung gefestigt, 100 000 zusätzliche Euro für den Einzug in die zweite Runde des DFB-Pokal sicher.
Für Offenbach bleibt die Gewissheit: Es war kein Fußballfest, aber es war Fußball, wie ihn der Bieberer Berg will. Filigrane Feinkost erwartet keiner, Kampf ist gewünscht. Davon gab es reichlich.
Ewig wird auf der Offenbacher Seite des Mains eine Zweiklassengesellschaft beklagt: Hier die honorigen Frankfurter, hofiert vom Deutschen Fußball-Bund, bedacht durch halbstaatliche Unternehmen, keine Lizenz, aber gerettet durch Gerichtsurteile. Da Offenbach. Nichtberücksichtigung bei der Bundesligagründung, Zwangsabstieg, Lizenzentzug. Alle gegen einen? Legendenbildung?
Nichts vergessen gestern Abend, und schon gar nichts vergeben. Es ist mehr als Abneigung, die zu spüren ist beim Mainderby, über das Experten streiten, das wie vielte es sein mag. Bei 143 ist eine Zählung angekommen. Wie viele Siege OFC, wie viele für die Eintracht. Zahl der Unentschieden? Statistiken täuschen, sicher ist nur: Auch nach dem 4:5 nach Elfmeterschießen liegt der OFC in der Zahl der Siege vorn. Ein schwacher Trost für die Offenbacher Fußball-Seele.
Was bleibt ist die Erinnerung: Daran, dass der Drittligist mit dem Bundesligisten mehr als nur mithielt; dass ein Zweiklassenunterschied nicht zu erkennen war; dass die Eintracht in dieser Verfassung bald verwirklichen könnte, wovon die Kickers-Fans träumen: "Eintracht, zweite Liga, wie schön, euch wieder zu sehn." Dass der OFC dafür noch aufsteigen muss - na gut, das wird eben mal vernachlässigt in einem Derby, das als eines der längsten in die Historie eingeht. 120 Minuten plus Elfmeterschießen. Und keine Minute möchte man missen. 20 500 Fans am Bieberer Berg. Der kocht nicht, er brodelt - nicht nur am Ende des Spiels. Die Stimmung? Nicht zu beschreiben.
Die erste Runde im Wettstreit "Wer singt lauter?" geht an die Eintracht-Anhänger. Sportlich setzen die Frankfurter gleich ein Zeichen. Andree Wiedener zieht ab, Cesar Thier rettet per Fußabwehr (9.). Dann der Schock für die Kickers: Bruno Akrapovic muss nach 14 Minuten raus, schon nach 120 Sekunden erwischt ihn Alexander Schur an der Wade. Es geht nicht mehr. OFC-Trainer Lars Schmidt bringt Fouad Brighache. Wie reagiert Offenbach auf die Verletzung des Leistungsträgers? Mit dem 1:0! Freistoß Patrick Falk, Gustav Policella verlängert mit dem Hinterkopf, Michael Petry staubt ab, nachdem Torwart Oka Nikolov nur abklatscht (21.). Offenbach liegt gegen die Eintracht vorn! Nach 19 Jahren! Und hätte noch höher führen können. Flanke Thorsten Judt, Policella, vorbei.
Es ist kein Spiel mit vielen hochkarätigen Chancen, aber die größte in den ersten 45 Minuten hat die Eintracht. Brighache rennt beim Abwehrversuch Christoph Preuß um, den fälligen Freistoß zirkelt Ervin Skela aufs Tor, die Glatze von Matthias Dworschak rettet die Halbzeitführung. 15 000 Fans feiern die Kickers, Ruhe bei den 5000 Frankfurtern.
In der zweiten Halbzeit wird der Arbeitsplatz von Cesar Thier angenehmer. Jetzt spielt er mit dem Rücken zur Oriontribüne. Die hat zehn Minuten nach Wiederbeginn den besten Blick auf die Szene, die zum 1:1 führt. Eckball Skela, Nico Frommer drückt ein, Thier versucht mit der Hand zu retten, Dworschak haut den Ball raus, Schiedsrichter Herbert Fandel entscheidet: Tor für Frankfurt.
Offenbachs Antwort? Ein Gewaltschuss von Angelo Barletta (57.). Eintracht hat mehr vom Spiel, Offenbach zieht sich zurück, die Folge: Chancen durch Cha und Frommer. Verlängerung? Nicht, wenn Petry Sekunden vor dem Schlusspfiff an der Flanke von Thorsten Judt nicht vorbeirutscht. So gibt's Elfmeterschießen, Nikolovs Parade gegen Falks Elfmeter, Thiers Schuss in Biebers Nachthimmel, Jones' Treffer. Das Warten dauert an.