Spielbericht vom 06.09.2003 - Anstoß: 14:30 Uhr |
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Kickers nach 2:2 in Schweinfurt ratlos: Wie kann man das aus der Hand geben? Keine plausible Antwort auf die Frage, wie aus einem beruhigenden 2:0-Vorsprung beinahe eine Niederlage wird
Schweinfurt - Dafür gibt es keine Erklärung. Die Offenbacher Kickers, als Aufstiegskandidat gehandelt, holen beim sieglosen Tabellenletzten mit Mühe und viel Glück beim 2:2 (0:2) einen Punkt. Hätten sie verloren, keiner hätte sich beschweren dürfen. Adil El Barhami, Veselin Popovic, Dubravko Kolinger - sie hätten Offenbach abschießen können. Entweder sie verstolpern, schieben am leeren Tor vorbei oder Kickers-Torwart Cesar Thier rettet. Offenbach in Not, so spielt kein Aufstiegskandidat.
Schweinfurt spielt die ersten 45 Minuten wie ein Absteiger, Offenbach sicher, aber längst nicht souverän. Und doch führt der OFC nach einer Viertelstunde 1:0. Schiedsrichter Jochen Braun, der in einem fairen Spiel sechs Gelbe Karten verteilt, hilft mit. Erst pfeift er kleinlich und Patrick Falk zurück, zeigt ihm Gelb. "Ball noch nicht freigegeben." Im zweiten Versuch schlägt Judt den Ball vors Tor, Menze schießt ihn an die Unterkante, von dort prallt er ins Tor. Soweit das Soll erfüllt.
Nichts zu sehen von Schweinfurt, von den Kickers nur wenig mehr. Nur Überheblichkeit, gepaart mit Sorglosigkeit, ist nicht zu übersehen. Beispiel die erste Ecke nach gut 25 Minuten. Falk wählt wie schon beim verschossenen Strafstoß im Pokalderby gegen Eintracht Frankfurt (4:5 n.E.) die lässige Variante. Fast aus dem Stand lupft er den Ball vors Tor, OFC-Trainer Lars Schmidt springt von der Trainerbank hoch. "Ich hasse solche weichen Bälle, der Torwart fängt sie ab, leitet einen Konter ein, Paddy weiß das." Seine Abneigung gegen solche Aktionen teilt Schmidt mit seinem Vorgänger Ramon Berndroth.
Offenbach versucht's mit der auf dem Papier offensivsten Formation in dieser Saison. Zwei Stürmer (Michael Petry, Gustav Policella), dahinter Falk, der die Freiheit, in die Spitze zu stoßen, nicht nutzt. Zudem im Mittelfeld mit Christian Müller und Samir Naciri zwei Spieler mit klarer offensiver Ausrichtung. Und? Bei allen viel zu wenig.
Ein Blick auf die Mannschaftsaufstellung stimmt nachdenklich: Von acht Spielern, die Offenbach vor der Saison verpflichtet, stehen in der Anfangself nur drei: Steffen Menze, Thorsten Judt und Policella. Sascha Licht, Bruno Akrapovic (beide verletzt) fehlen ebenso wie Stefan Dolzer (Rotsperre), Christian Hock und Suat Türker (beide nur Ersatz). Für Adrian Mahr, während der Woche von Borussia Dortmund geholt, bleibt trotz viel Lob bis zum Schlusspfiff nur der Platz auf der Bank.
Gefahr droht, wenn Offenbach über die linke Seite kommt. Samir Naciri passt zu Judt, der zieht den Ball auf den langen Pfosten, Schweinfurts Torwart Ralf Scheerbaum greift ins Leere, Michael Petry köpft ein. Zwei Tore gegen den Tabellenletzten, 2:0 zur Halbzeit. Was soll da noch passieren?
Ein 2:4, gar ein 2:5 ist möglich. "Wie kann man so ein Spiel noch aus der Hand geben", fragt Vize-Präsident Thomas Kalt ohne eine plausible Erklärung zu erhalten. Müdigkeit nach dem Pokalkampf über 120 Minuten plus Elfmeterschießen? Das taugt nicht einmal als Entschuldigung. Bedingungslose Offensive einer Schweinfurter Mannschaft? Gibt es nicht. Dafür aber die Erkenntnis: Den Offenbacher Kickers fehlt die Qualität, gegen einen harmlosen Gegner wie die Unterfranken drei, vier Tore zu erzielen, um dann erst das Tempo rauszunehmen. Oder ihnen fehlt das Verständnis, wie ein 2:0-Vorsprung verteidigt werden kann: Die sichere Führung im Rücken in der Defensive geordnet stehen, auf Konter warten. Nichts dergleichen. Im Gegenteil: Die Kickers lockern unnötig den Abwehr, leisten sich Abspielfehler, leiten damit Konter ein und helfen den harmlosen Schweinfurtern. Scharfe Flanke El Barhami, OFC-Kapitän Matthias Dworschak donnert den Ball ins eigene Netz (75.).
Da sind noch 15 Minuten zu spielen, nichts ist verloren, nicht einmal die beiden Punkte, über die Kalt später klagt. Was passiert mit dem OFC? Nervenflattern trotz aller Routine, es fehlt die Ordnung. Und doch ist es zu ruhig. Von Menze kommt im Abwehrverband kein lautes Wort; Judt macht seinen Job auf links; Dworschak muss überall sein; und Policella ist eine Minute später nicht mehr auf dem Platz - ausgewechselt nach indiskutabler Leistung gegen Türker.
"Mehr Feuer auf dem Platz", wünscht sich OFC-Trainer Schmidt. Und noch etwas: "Ich brauche auch Spieler wie Kolinger. Obwohl er manchmal überdreht, bei ihm ist Leben drin", sagt der Trainer über den Ex-Offenbacher. Der schießt in der 85. Minute aus vier Metern den Ausgleich, nachdem der eingewechselte Türker und Müller hilfsbereit unterstützen, Florian Galuschka unbedrängt flankt.
Was bleibt zu tun in dieser Woche? Die harte Tour? "Die meisten der Spieler sind über 30 Jahre alt", sagt Manager Rüdiger Lamm, setzt auf Eigenverantwortung. "Aber jeder sieht, was wir verspielen." Wohin führt der Weg? Lamm: "Saarbrücken am Sonntag wird richtungweisend. Entweder geht's hoch oder wir versinken im Mittelfeld." Mittelfeld bedeutet: Lamms Konzept wackelt und damit die Finanzierung. Zwar sind für diese Saison alle Spiele an Werbepartner verkauft, pro Heimspiel die Einnahme von 65 000 Euro gesichert. Aber eben nur für diese Spielzeit. Die meisten (teuren) Spielerverträge aber gelten für zwei Jahre.
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FC Schweinfurt | Kickers Offenbach |
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Scherbaum - Kolinger - Beer, Löhner - Miedl (66. El Barhami), Shimamura, Nägelein, Kroll (59. Jakic), Lützler (77. Galuschka) - Gorgiev, Popovic. | Thier - Brighache, Barletta, Menze, Judt - Dworschak, Falk (66. Hock), Müller - Policella (77. Türker), Naciri, Petry. |
Schiedsrichter | Tore | Gelbe Karten | Gelb-Rote Karten | Rote Karten | Zuschauer |
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Braun (Eschbach) | 0:1 Menze (15.), 0:2 Petry (39.), 1:2 Dworschak (75. Eigentor), 2:2 Kolinger (87.) | Gorgiev, Kroll (FCS) / Falk, Brigache, Dworschak, Judt (OFC) | - | - | 2865 |
Besondere Vorkommnisse: | Trainerwechsel hat wohl nichts gebracht. Genauso schlecht wie vorher. |
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