"Jetzt steigen wir auf"
Kickers bestreiten am Sonntag (17:30 Uhr) erstes Aufstiegspiel in Siegen
„Ihr habt es wirklich verdient.“ Auch Fuldas Manager Horst Ruland reihte sich am
Donnerstag in die lange Schar von Gratulanten bei Kickers-Trainer Hans-Jürgen Boysen ein.
Mit dem 3:1-Sieg im Endspiel gegen Borussia Fulda krönten die Offenbacher Kickers ihre
zweite - und vielleicht letzte Regionalliga-Saison. Für den OFC beginnt am Sonntag,
17.30 Uhr (Live-Übertragung im Hessen-Fernsehen), bei den Sportfreunden Siegen die
Aufstiegsrunde zur 2. Bundesliga.
„Jetzt ist alles möglich. Jetzt steigen wir auch auf“, jubelte OFC-Mittelfeldspieler
Frank Kastner nach dem hochverdienten Erfolg vor 22 000 Zuschauern (nicht ganz
ausverkauft) über Fulda, den die freudetrunkenen Fans wie die Deutsche Meisterschaft
feierten. Unmittelbar nach dem Schlußpfiff strömten Tausende auf den Rasen, bejubelten
die Mannschaft, die sich auf die Ehrentribüne „gerettet“ hatte.
84 Minuten lang war Borussia Fulda in der Aufstiegsrunde. Den Osthessen hätte ein
Unentschieden genügt, weil Reutlingen in Mannheim 0:1 verlor. Nach Lalas 0:1 (52.)
und den Aogleich durch einen Kopfball von Oliver Roth (63.) brachte eine Gelb-Rote
Karte für den Fuldaer Manndecker Freier (zwei Fouls innerhalb von 60 Sekunden gegen
den eingewechselten Winter) den entscheidenden Vorteil für die Kickers.
Bis dahin hatte Fulda das Spiel sicher kontrolliert. Selbst die sonst so enthusiastischen
OFC-Fans wurden erst nach dem Platzverweis so richtig munter. In Unterzahl hatten
die Gäste konditionell dem Sturmlauf der Kickers, die nun alles riskierten, nichts
mehr entgegenzusetzen. Die schon fast legendäre Schlußviertelstunde brachte die Wende,
zumal die Kickers bereits um 15.42 Uhr, wie von Gerster angekündigt, die Flutlichtstrahler
angeschaltet hatten. Mit einem Freistoß (84.) und einem Kopfball (86.) avancierte
Oliver Speth zum Matchwinner und sicherte der Mannschaft eine Prämie von 80000 Mark
für das Erreichen der Aufstiegsrunde. Über eine Aufstiegsprämie wird noch einmal
gesondert verhandelt.
Während in Offenbach am Vatertag eine rot-weiße Freudennacht gefeiert wurde, verordnete
OFC-Trainer Boysen unmittelbar nach Spielpchluß „striktes Alkoholverbot für alle beim
OFC unter Vertrag stehenden Spieler“. Den Kickers bleiben nur 72 Stunden Erholungszeit
bis zum nächsten Endspiel. Die Sportfreunde Siegen konnten sich eine Woche lang in
aller Ruhe auf das erste Entscheidungsspiel vorbereiten. Bereits gestern fuhr die
Offenbacher Mannschaft ins Trainingslager – ausgerechnet nach Haiger. „Ich weiß nicht,
ob die kurze Zeit zur Erholung ausreicht, aber ich kann versprechen, daß wir uns sehr
teuer verkaufen werden“, meinte OFC-Trainer Boysen. Die angeschlagenen Dama
(Bänderdehnung), Roth (Wadenprellung) und Simon (Bluterguß) werden in jedem Fall
spielen können. „Wir freuen uns auf die nächste Zerreißprobe“, glaubt Boysen, daß der
Sieg im Endspiel sogar neue Kräfte bei seiner Mannschaft freisetzt. Über die
Aufstellung hüllt Boysen wie üblich den Mantel des Schweigens, doch schon sein
Schachzug mit Speth zeigt, daß er sich nicht scheut, auch in entscheidenden Spielen
mit Überraschungen aufzuwarten.
„Wir haben nur ein Etappenziel erreicht“, warnte Verteidiger Bernd Gramminger vor zu
großer Euphorie. „Jetzt geht es erst richtig los.“
6300 Fans werden den OFC nach Siegen begleiten. Schon zwei Stunden nach dem Spiel
gegen Fulda waren 3000 Karten verkauft. Das Spiel ist restlos ausverkauft. Eine Anfahrt
ohne Eintrittskarte ist zwecklos. In Siegen prophezeihen sogar die Verantwortlichen
bereits ein Chaos. Weil direkt neben dem Stadion ein Reitturnier stattfindet, stehen
keine Parkplätze zur Verfügung. Im Stadion (Fassungsvermögen 22500 Zuschauer) gibt es
keinen Zaun. Auf Bundesliga-Schiedsrichter Edgar Steinborn (Sinzig) wartet wohl eine
heikle Aufgabe.
Der Deutsche Fußball Bund (DFB) hat gestern die Kickers nochmals eindringlich darauf
hingewiesen, daß im Falle eines Spielabbruchs nicht der Platzverein, sondern der
Verursacher verantwortlich gemacht wird. „Unsere Fans waren bisher immer fair. Das
wird auch in Siegen so sein“, appelliert Manager Klaus Gerster an die Vernunft der
Offenbacher Anhänger.
(Bericht aus der OFFENBACH-POST vom 23.05.98)
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