Weismain der bisher stärkste Gegner
Große Einigkeit: Kickers können mit 1:1 zufrieden sein / Trainer Boysen lobte Keffel
Nach acht Spieltagen noch ungeschlagen auf dem zweiten Tabellenplatz in der
Fußball-Regionalliga Süd: Wer auf diese Bilanz des Aufsteigers Kickers Offenbach vor
der Saison gewettet hätte, würde sich jetzt eine goldene Nase verdienen. So tat auch
das 1:1 am Freitag gegen den SC Weismain nicht weh. Daß dieser Gegner der bisher
stärkste war, darüber waren sich alle Experten einig. „Die ersten 45 Minuten gingen
klar an Weismain”, gab Kickers-Trainer Hans-Jürgen Boysen zu. „Ich hatte die Hoffnung,
mit der Führung und den Zuschauern im Rücken den Sieg heimzubringen, aber auch in der
zweiten Halbzeit wurden wir in höchstem Maße gefordert und mußten auch mit einer
Niederlage rechnen. Bei den freien Kopfbällen von Simon und Hartmann mußte zwar das
2:1 fallen, aber das 1:1 war gerecht. Ich habe zehn, zwölf Mannschaften beobachtet:
Von der Spielanlage her war es das beste, was ein Gegner geboten hat.”
Weismains Trainer Matthias Fröba gab zu, daß er drei Punkte mitnehmen wollte, war aber
auch mit einem Zähler zufrieden: „Der VfR Mannheim vor einer Woche war kein Maßstab;
wenn man in Offenbach besteht, ist das einer. Beide Mannschaften werden der Liga und
ihren Zuschauern noch viel Freude bereiten.”
Boysen begründete die hohe Fehlerquelle seines Mittelfeldes in der aggressiven
Spielweise des Gegners, der „nicht auszuspielen war”. „Wer glaubt, daß der OFC gegen
jede Mannschaft in dieser Klasse 20 Chancen herausspielen kann und viele Tore schießt,
ist auf dem falschen Schiff. Wir müssen die positiven Aspekte sehen: Wir sind
ungeschlagen, haben mit die wenigsten Gegentore bekommen (keine in der Schlußphase!)
und mit die meisten geschossen.”
Einen Spieler hob Boysen hervor: Torwart Rene Keffel: „Er hat hochkonzentriert
gespielt.” Keffel gab zu: „Gleich beim ersten Angriff hatte ich eine gute Aktion, das
gibt Sicherheit. Zudem hat mich das Duell mit Marius gereizt. Bei aller Euphorie: Wir
spielen weiter gegen den Abstieg, müssen erstmal 40 Punkte kriegen. Es wird viele
Spiele geben, die auf der Kippe stehen, da entscheiden eins, zwei Fehler. Aber Lob für
die Mannschaft: Alle kämpfen wie wahnsinnig.”
Auch Kapitän Oliver Roth bestätigte: „Unser Vorteil ist: Wir halten zusammen, stehen
wie eine Eins. Lob auch an unser Trainergespann, die hängen sich voll rein, beobachten
jeden Gegner ein- bis zweimal. Weismain war spielerisch sehr stark, aber wir hatten
die besseren Torchancen. Bei uns gibt es zwei Elfmeterschützen, Frank Kastner und ich;
ich habe mich gut gefühlt und gesagt: 'Ich mache die Kiste!' Aber mental sind wir nicht
mehr so frisch.”
Oliver Roth hat sich 15 bis 20 Saisontore als Ziel gesetzt: „Aber wenn es nur zwölf
werden und wir kommen unter die ersten Fünf, ist es auch in Ordnung. Der
Mannschaftserfolg geht über alles. Es kitzelt einen schon, wenn man da oben steht.”
Der einmal mehr überragende Bernd Gramminger kann für sich verbuchen, daß sein
Gegenspieler, Torjäger Sascha Licht, ohne Erfolgserlebnis blieb: „Aber der war sehr
stark, den durfte man nicht aus den Augen lassen. Weismain hat von hinten heraus gut
harmonisiert.” Libero Stefan Dolzer war ebenfalls mit dem 1:1 zufrieden, mit seiner
eigenen Leistung aber nicht: „Es ist traurig, wenn man wieder 1:0 führt und nicht
gewinnt. Jeder ist aber überglücklich über unsere Bilanz; seit dem 22. November haben
wir kein Punktspiel mehr verloren, damit hätte keiner gerechnet. Aber wir sind als
Mannschaft gewachsen, sind alle miteinander befreundet, jeder ist für jeden da.”
Stefan Simon gab nach seiner verletzungsbedingten Pause zu, daß er gegen Ende platt
war: „Das war eins unserer schwächeren Spiele. Wir kamen nicht so ins Spiel, hatten
aber ein sehr starkes Team gegen uns. Bei meiner Chance mußte ich den Ball direkt
nehmen, damit er nicht wegspringt, weil er Drall hatte.” Zufrieden war Weismains
Keeper Marius Todericiu (Ex-OFCler): „Bei Simon habe ich toll reagiert, bei Hartmann
hatte ich Glück, stand instinktiv richtig. Ich komme immer gerne nach Offenbach zurück,
die Stimmung ist einmalig.”
Kickers-„Vize” Prof. Ulf Tunn: „Heute war mehr drin. Selbst bei unseren Siegen hatten
wir nicht solche hochkarätigen Chancen. Insgesamt läuft es aber optimal, darauf läßt
sich aufbauen. Die Erwartungen der Fans werden sich mit dem gegenwärtigen
Gesamtkonzept erfüllen lassen.”
(Bericht aus der OFFENBACH-POST vom 15.09.97)