Nach 0:1 gegen St. Pauli herrscht bei Kickers "geballter Frust"
Binz und Schmidt verletzt / Li Bing löst Vertrag auf
Am Samstagmorgen, wenige Stunden nach der bitteren 0:1-Heimniederlage gegen den
FC St. Pauli, wollte es Peter Neururer bereits ganz genau wissen. Und so unterbreitete
der Trainer des Fußball-Zweitligisten Kickers Offenbach seiner Mannschaft auch
ein durchaus verlockendes Angebot. Wer trotz des Vier-Punkte-Rückstands auf das
rettende Ufer nicht mehr hundertprozentig an den Klassenerhalt glaube, so erklärte
Neururer seinen Spielern, könne sofort getrost frei nehmen und nach Hause gehen,
um dort bis zum Saisonende sein Gehalt zu kassieren.
Möglich, dass der ein oder andere Akteur kurzzeitig daran dachte, fluchtartig
die Kabine zu verlassen, doch gegangen ist dann letztlich niemand. Und das, obwohl
die Stimmung am Tag nach der Niederlage verständlicherweise alles andere als
gut war. "Auf dem Trainingsgelände herrschte absolutes Stillschweigen", berichtet
Neururer. Jedem einzelnen Akteur habe er den "geballten Frust" über die Leistung
des Vorabends angemerkt. Aber er werde schon dafür sorgen, dass sich die Laune
schon bald wieder bessere. "Wer, wenn nicht ich, muss jetzt in Optimismus machen?",
fragt Neururer. Denn wenn auch er die Hoffnung aufgeben würde, wäre der Abstieg
beschlossene Sache.
Unverständlich wäre es allerdings nicht, wenn Peter Neururer nach der Pleite
gegen den direkten Kontrahenten aus St. Pauli und dem somit verpassten Sprung
auf einen Nicht-Abstiegsplatz die Flinte ins Korn schmeißen würde. Denn immerhin
hatte Klaus Gerster bereits vor der Partie kundgetan, dass er fest davon überzeugt
ist, dass der Verlieren des Spiels auf jeden Fall absteigen muss. "Eine ziemlich
unbedachte Äußerung" des Managers, wie Neururer findet, die es gelte, in den
kommenden Wochen zu widerlegen. Immerhin seien noch zehn Spiele, also fast ein
Drittel der Saison zu absolvieren. "Dreißig Punkte sind noch zu vergeben und
somit ist weiterhin alles drin."
Jedoch muss auch der Gewohnheits-Optimist einräumen, dass der Klassenerhalt nur
noch "sehr, sehr schwer" zu schaffen sein dürfte. Zum einen, weil die Kickers
gegen St. Pauli einmal mehr auch die besten Tormöglichkeiten ungenutzt ließen,
zum anderen, weil nunmehr auch das Verletzungspech auf dem Bieberer Berg Einzug
gehalten hat. So werden in Manfred Binz und Lars Schmidt zwei wichtige Leistungsträger
längerfristig auszufallen. Der Libero zog sich einen Außenbandriss im Knie zu
und muss wohl vier Wochen pausieren, während Schmidt, der an einem Faserriss
und einer Kapselverletzung im Fuß laboriert, zumindest nicht für die Auswärtspartie
beim 1. FC Köln zur Verfügung stehen wird. "Das ist ein herber Schlag für uns.
Ich kann nur hoffen, dass wir von weiteren Verletzungen verschont bleiben", sagt
Neururer. Ansonsten werde die Situation nämlich nahezu aussichtslos, da er "Fußball-Trainer
und eben kein Zauberer" sei.
Leichter zu ersetzen dürfte hingegen Li Bing sein. Der Vertrag des seit Wochen
schwach aufspielenden Chinesen, der erst im Januar zum OFC wechselte, wurde bereits
vor der Partie gegen St. Pauli "in beidseitigem Einvernehmen" (Neururer) aufgelöst.
"Er ist zuletzt immer schlechter geworden. Deshalb wollte ich ihn nicht mehr
berücksichtigen", erklärt der Coach.
An einem weiteren Spieler, der zuletzt heftiger Kritik ausgesetzt war, will Neururer
hingegen festhalten: Goran Curko. Der Torhüter hatte sich gegen St. Pauli erneut
einige seiner "spielerischen" Einlagen geliefert und somit für reichlich Unruhe
in der Abwehr und laufstarke Rufe der Fans nach Ersatzmann Rene Keffel gesorgt.
Eine Forderung, der der OFC-Trainer allerdings nicht nachgeben. "Für mich steht
Goran Curko außerhalb jeder Kritik", stellt er mit Nachdruck fest. Es seien nämlich
unbedachte Rückpässe gewesen, die den Torhüter immer wieder in brenzlige Situationen
gebracht hätten. Deshalb werde er dem Keeper ebenso wie dem zweiten Opfer der
"öffentlichen Hetzkampagne", Holger Gaißmayer, weiterhin den Rücken stärken,
damit die beiden zu ihren sportlichen nicht auch noch "psychologische Probleme" bekommen.
Denn die, so meint Neururer, können die moralisch-angeknacksten Kickers derzeit
nun wahrlich nicht gebrauchen.
(Von Stephan Brause, Frankfurter Rundschau)
Der OFC nähert sich wieder der Regionalliga
Li Bing muss gehen
Offenbach. Nach dem 0:1 gegen den FC St. Pauli ist der Fußball-Zweitligist Kickers
Offenbach dem Abstieg in die Regionalliga wieder ein Schritt näher gekommen.
Der direkte Konkurrent aus Hamburg vergrößerte seinen Vorsprung auf den OFC auf
vier Punkte. Am kommenden Samstag muss das Team von Trainer Peter Neururer zum
Spitzenreiter 1. FC Köln, könnte im schlimmsten Falle jeglichen Kontakt zum rettenden Ufer verlieren.
"Kein Grund zur Panik, wir stehen wieder auf", verbreitete Neururer dennoch
unentwegt Optimismus. Doch die Stimmung rund um den Bieberer Berg sinkt. So hatte
Neururer vor der Begegnung gegen St. Pauli von "einer Spitzenmoral und ungebremstem
Siegeswillen" gesprochen. Die Realität sah anders aus: Der OFC zelebrierte sich
vor dem Anpfiff selbst, war jedoch zu keiner Zeit in der Lage, die wichtigen
drei Punkte, die den Sprung aus den Abstiegsrängen bedeutet hätten, zu erreichen.
Zwar dominierte die heimische Elf die Gäste, doch mit einer katastrophalen Chancenverwertung
und schlecht eingespielten Standardsituationen stellte sich Offenbach selbst
das Bein. Nun kommt es für Neururer ganz hart. Zur sportlichen Misere brechen
ihm auch noch die Stützen des Teams weg. In Köln fallen Vladoiu (gelb-gesperrt),
Schmidt (Sprunggelenkverletzung) und Binz (Außenbandriss) aus. "Kann man nicht
ändern, jetzt müssen andere ran", bastelt Neururer bereits an der neuen Startformation,
bei der aller Voraussicht nach Dolzer den Part des letzten Mannes übernehmen
wird. Li Bing steht als Ersatz im Sturm jedenfalls nicht mehr zur Verfügung,
der Neuzugang - er kam in der Winterpause - geht wieder nach China zurück. Die
Kickers und der 31-Jährige lösten am Wochenende den Vertrag auf. "Er hatte zu
große Probleme, vor allem was die Verständigung betraf", lautete die Begründung
von Vereinsseite. Vor dem Absprung scheint auch der in der Kritik stehende Torwart
Goran Curko zu sein. Der vom VfB Leipzig bis zum Saisonende ausgeliehene Serbe
wird von Arminia Bielefeld umworben. In Offenbach sinken Curkos Aktien ohnehin.
Gegen St. Pauli forderten die Fans lautstark Ersatzkeeper René Keffel. Die selten
fehlerfreie Spielweise von Curko stößt dem Kickers-Anhang bitter auf.
(Von Holger Kliem, Frankfurter Neue Presse)
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