2.Bundesliga Saison 1999/2000

Stuttgarter Kickers - Kickers Offenbach
Endergebnis: 2:1 (0:0)


Spielbericht vom 07.11.99 - Anstoß: 15:00 Uhr
Neururer sieht beim 1:2 kuriose Mächte am Werk

Für die Offenbacher Kickers bleibt die Luft in der 2. Fußball-Bundesliga weiterhin ganz dünn. Eine Woche nach dem 1:0 gegen Greuther Fürth gab es für den OFC gestern Nachmittag bei der Auswärtspremiere unter Trainer Peter Neururer auch gleich den ersten Rückschlag. Mit 1:2 (0:0) unterlagen die Offenbacher bei den Stuttgarter Kickers, kleben mit vorerst drei Punkten Rückstand weiterhin auf dem letzten Tabellenplatz fest.

Nach dem Schlusspfiff ließen sich die OFC-Spieler dennoch von den rund 1000 mitgereisten Fans feiern, warfen sogar erneut ihre Trikots in die begeisterte Menge. Die hessischen Kickers nämlich, das wurde deutlich, fühlten sich im Schwabenländle als moralische Sieger - und weniger von den Stuttgartern als von Schiedsrichter Peter Sippel aus Würzburg in die Knie gezwungen.

In der Tat stellte der insgesamt schwache Referee just mit seinen umstrittensten Entscheidungen die Weichen für die Niederlage der fußballerisch gleichwertigen Gäste. In der 40. Minute zeigte er zunächst Stefan Dolzer die Gelb-Rote Karte, nachdem der übereifrige Offenbacher Mittelfeldmann bei einer Grätsche gleichzeitig Ball und Gegenspieler getroffen hatte. Zwölf Minuten nach Wiederbeginn sah Kickers-Stürmer Marco Grevelhörster sogar Rot für sein grobes Foulspiel von hinten gegen Raspe. Erst jetzt brachen beim OFC die Dämme: Nach Foul von Binz an Cassio verwandelte Maric in der 68. Minute den fälligen Foulelfmeter zum 1:0. Cassio selbst machte zehn Minuten später nach einem Konter vermeintlich schon alles klar. Imponierend allerdings, wie Offenbach mit neun Mann weiterhin dagegenhielt. In der letzten Minute gelang Dubravko Kolinger sogar noch der hochverdiente Anschlusstreffer. Die Stuttgarter bauten mit diesem Erfolg ihre Heimbilanz auf 14 Punkte aus sechs Spielen aus und setzten sich im gesicherten Mittelfeld fest. Da hilft auch alles Wenn und Aber nicht, was passiert wäre, wenn die favorisierten Gastgeber, die vor rund 4000 Zuschauern im Waldaustadion schlecht aus den Startlöchern kamen und Mühe hatten, das Spiel in den Griff zu bekommen, nicht durch die Überzahl elf gegen neun Spieler begünstigt worden wären.

Peter Neururer brachte anschließend die allgemeine Offenbacher Stimmungslage auf den Punkt: "Kuriose Mächte haben das Spiel entschieden. Um meine Mannschaft ist mir trotz dieser Niederlage nicht bange."  

 

Zwei Platzverweise leiten die Niederlage ein
Offenbacher Kickers verlieren erst Dolzer, dann Grevelhörster und am Ende 1:2 bei den Namensvettern aus Stuttgart

Das war nicht nötig. Die Offenbacher Kickers brachten sich bei der 1:2-Niederlage bei den Stuttgarter Kickers um den Lohn ihrer Arbeit. Nur auf Grund von zwei Platzverweisen gegen Stefan Dolzer (39.) und Marco Grevelhörster (57.) geriet das Schlusslicht der Zweiten Bundesliga in die Schwierigkeiten, die es letztlich die Punkte kostete. Trainer Peter Neururer haderte hinterher mehr mit dem Schiedsrichter denn mit seinen Mannen: "Ich muss meiner Mannschaft trotz der Niederlage gratulieren. Sie hat sich mit Vehemenz gegen die Niederlage und andere eigenartige Mächte gestemmt."

"Wir wollen hier nicht verlieren", hatte der OFC-Trainer noch kurz vor dem Anstoß gesagt. Auf Teufel komm raus nach vorn ließ der Coach allerdings auch nicht spielen. Deutlichstes Indiz dafür war die Nominierung von Stefan Dolzer im zentralen Mittelfeld. Der zweikampfstarke Mann sollte sich um Stuttgarts Spielmacher Adnan Kevric kümmern. "Wir sind noch nicht so weit, gegen einen solchen Gegner mit drei offensiv ausgerichteten Mittelfeldspielern anzutreten. Leider müssen wir uns noch darauf beschränken, weitgehend zu reagieren", rechtfertigte der Fußball-Lehrer diese Maßnahme.

An seinem Konzept musste Neururer nach 39 Minuten allerdings ein paar Nachbesserungen vornehmen. Der Grund: Dolzer wurde frühzeitig zum Duschen geschickt. Wie schon gegen den Karlsruher SC leistete er sich eine Ungeschicklichkeit zuviel und sah Gelb-Rot. Die Reaktion von Seiten der Offenbacher Bank ließ nicht lange auf sich warten. Tom Stohn nahm fortan die Position von Matthias Becker ein. Eigentlich sollte der Stürmer für Entlastung sorgen. Als ballgewandter Spieler war er dafür vorgesehen, die Kugel in der Spielhälfte der Platzherren zu halten, um den Mitspielern die Chance zum Nachrücken zu sorgen. Bei der Umsetzung dieser Vorhaben, nun ja, da haperte es ein wenig. In Unterzahl konnten es sich die auswärtigen Kickers nicht leisten, einen Spieler mitzuschleppen, der nicht das Optimum seiner Leistungsfähigkeit abruft.

Dabei war das, was die Gäste bis dahin zeigten, für ihre Verhältnisse eigentlich gar nicht so schlecht. Auch wenn das Spiel nach vorne nicht rund lief, hinten brannte nichts an. Torwart Goran Curko wurde in der ersten Halbzeit nicht einmal ernsthaft geprüft. Allerdings erhöhte sich der Druck der Gastgeber nach der 57. Minute noch einmal. Da leistet nämlich Marco Grevelhörster seinen Mitspielern einen Bärendienst. Der Einzelkämpfer im Angriff verlor in Höhe der Mittellinie den Ball gegen Torsten Raspe und setzte ein wenig unbeherrscht nach. Den Stuttgarter holte er von hinten von den Beinen und sah dafür die Rote Karte. Komischerweise sah es jedoch auch mit zwei Mann in Unterzahl nicht vollkommen hoffnungslos für die Offenbacher aus. Zu ideenlos agierten die Schwaben. Dass sie noch auf die Siegerstraße gelangten, hatten sie Manfred Binz zu verdanken. Etwas ungestüm ging er in der 69. Minute in den Zweikampf mit Cassio. Das Stuttgarter Leichtgewicht nutzte die unbeherrschte Attacke und hob ab. Schiedsrichter Sippel hatte erneut keine andere Chance, als auf Elfmeter zu entscheiden. Den Strafstoß verwandelte Tomislav Maric sicher.

Den dezimierten Offenbachern muss man ein Lob zollen, dass sie danach nicht aufsteckten. Sie bestimmten anschließend sogar das Geschehen und hatten durch Dama (71.) auch eine große Gelegenheit zum Ausgleich. Weil sie aber drängten, kamen die Stuttgarter ganz zwangsläufig zu Kontern. Einen davon wandelte Cassio schließlich in der 78. Minute zum 2:0 um. Damit war das Spiel endgültig gelaufen. Die Gastgeber hätten das Ergebnis eigentlich noch erhöhen müssen, stattdessen gelang Kolinger in der Schlussminute noch eine Resultatsverbesserung.  

 

Komischer Akademiker
Offenbach unter Trainer Neururer: Der Einzug der Soziologie

Offenbach - "Kann mir hier jemand den Weg zum Platz zeigen?" Augenzwinkernd erkundigte sich Peter Neururer an seinem ersten Arbeitstag in Offenbach bei den Kiebitzen nach dem Weg zum Trainingsgelände. Mittlerweile hat er ihn gefunden. Doch an Orientierung mangelt es Peter Neururer eigentlich ohnehin nur selten. Zwei Mal hat er jetzt in der Nachfolge seines farblosen Vorgängers Hans-Jürgen Boysen den OFC an der Seitenlinie gecoacht. Gleich nach seinem ersten Auftritt, dem 1:0 gegen die SpVgg Greuther Fürth, verlangten die Fans, sie wollten noch einmal den Trainer sehen. Offenbach hatte erstmals auf dem heimischen Bieberer Berg nicht verloren - der erste Saisonsieg im zehnten Versuch war es obendrein. Eines Hauptdarstellers würdig, der das Spiel nach eigenem Bekunden "nicht gesehen, sondern erlebt" hat, verneigte sich Peter Neururer mehrfach vor seinem Publikum auf der Fantribüne. Die Ovationen galten einem auf die Bundesligabühne zurückgekehrten Entertainer. (In Stuttgart gab es nun gestern gegen die Kickers ein xx für die Offenbacher Kickers.) Manager Klaus Gerster wusste schon bei der Präsentation: "Neururer ist ein großer Pädagoge, der schon viele Klubs gerettet hat. Er lebt mit dem Verein, seiner Mannschaft und dem Umfeld. So ein Mann passt zu uns." Wie kaum ein Zweiter personifiziert Peter Neururer die bei den Kickers so dringend benötigte Symbiose aus Proletenkultur und Modernisierungsschub. Während inzwischen selbst Waldemar Hartmann und Jürgen Kohler mit nackter Oberlippe sich durch den Fußballkosmos bewegen, trägt der 44jährige aus dem Pott weiterhin Schnauzbart.

Mit dem goldenen Feuerzeug zündet er sich die Zigarette der Marke an, die mit der Traumwelt des wilden Westens Männerfantasien noch ganz ungebrochen bedient. Flapsigen Sprüchen war der als Dampfplauderer verschriene Neururer ohnehin noch nie abgeneigt. Doch die zur Schau gestellte Hemdsärmeligkeit ist nur die eine Seite des Peter Neururers. "In erster Linie bin ich Akademiker", lässt er wissen, "vielleicht weil ich noch nie richtig arbeiten wollte."

Seit knapp zwei Wochen gibt er nun in Offenbach den Zampano. Zur Überraschung vieler wartet der diplomierte Sportlehrer mit modernster Fußball-Methodik auf. Per soziologischem Fragebogensystem erforschte er die "Disharmonien und Hierarchie innerhalb des Teams", das eigens erstellte Soziogramm des Mannschaftsgefüges erbrachte, findet Neururer, profunde Ergebnisse. "In Sachen Selbsteinschätzung konnte eine hohe Signifikanz festgestellt werden. Die Chemie im Kader stimmt." Oft, und gerne auch etwas ausgedehnter, doziert er über Systeme, Taktik und Psychologie. Peter Neururer hat sich geändert - zumindest behauptet er das von sich. Vor einem Spiel antwortet er nicht mehr auf die Frage, wie hoch denn nun gewonnen wird - "vielleicht hätte ich vor 10 Jahren noch etwas dazu gesagt".

Für Großes hält er sich jedoch nach wie vor geboren. Zweitliga-Schlusslicht Kickers Offenbach soll sich jedenfalls mit ihm nicht allzu lange im Unterhaus aufhalten. Klassenerhalt selbstredend vorausgesetzt, will Neururer demnächst am Tor zur Bundesliga kratzen. Die Weichen seien bereits gestellt, um nächste Saison "oben mitzuspielen". Auch am Prinzip, niemals zu einem Verein zu wechseln, der in der jeweiligen Stadt nur die Nummer zwei ist, hält er weiterhin fest. Nur bei der Frage, was denn wäre, wenn Atletico Madrid anklopfen würde, wird es knifflig. Schelmisch grinst er - wieder einmal erinnert Peter Neururer an einen Komiker hohen Niveaus: "Der Gil Gil und der Neururer, das wäre schon was."  


Mannschaftsaufstellungen:

Stuttgarter KickersKickers Offenbach
Klaus, Keuler, Ramovs, Malchow (Minkwitz 33.), Marell, Kevric, Winkler (Sailer 58.), Maric, Pfuderer, Raspe (Carl 58), Cassio Curko, Binz, Dolzer, Dama, Schmidt, Becker (Stohn 43., Jovic 69.), Simon (O.Roth 77.), Kolinger, Maier, Grevelhörster, D.Roth

Spielstatistik:

SchiedsrichterToreGelbe KartenGelb-Rote KartenRote KartenZuschauer
Sippel (Würzburg)1:0 Tomislav Maric (69. Foulelfmeter),
2:0 Cassio (79.),
2:1 Kolinger (90.)
Kevric (3), Marell (2), Pfuderer (3) (Stuttgart) / Curko, Kolinger (OFC)Dolzer (39. wegen wiederholten Foulspiels)Grevelhörster (58. wegen groben Foulspiels)4000
Alle Angaben ohne Gewähr


Aktuelle Tabelle Saison 1999/2000
Alle Ergebnisse vom 11.Spieltag (05.11.- 08.11.99)
Tabellenstand nach dem 11.Spieltag (05.11.- 08.11.99)
Spiele des OFC in der Hinrunde 1999/2000 mit Spielberichten
Alle Spieltage auf einen Blick (mit Ergebnissen)
Torjäger und Karten Statistik Saison 1999/2000
Tabellenplatzstatistik Saison 1999/2000
Ergebnisse 1999/2000
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Seite wurde am 08.11.99 aktualisiert